POLITIK

AMK informiert:

Biologische Arzneimittel in akuter Gefahr

Vorbemerkung

Bei Einführung des Arzneimittel - Gesetzes von 1978 ging der Gesetzgeber davon aus, daß "...mehrere Therapierichtungen nebeneinander bestehen, die von unterschiedlichen theoretischen Denkansätzen und wissenschaftlichen Methoden ausgehen...". Es war einmütige Auffassung der Verantwortlichen, daß es nicht Aufgabe des Gesetzgebers sein kann und darf, eine der miteinander konkurrierenden Therapierichtungen in den Rang eines allgemein verbindlichen Standes der wissenschaftliche Erkenntnis zu erheben. Politische Zielsetzung war, "... daß sich im Zulassungsbereich der in der Arzneimitteltherapie vorhandenen Wissenschaftspluralismus deutlich widerspiegeln muß,....", und daß "...auch das teilweise jahrhundertealte Erfahrungswissen der besonderen Heilverfahren (Homöopathie, antroposophische Medizin und Phytotherapie) für den Wirksamkeitsnachweis anerkannt wird...".

Von dieser Grundauffassung ist leider nicht mehr viel übriggeblieben, wenn man beobachten muß, welchen fast unüberwindlichen Hürden sich die biologischen Arzneimittel derzeit gegenüber sehen, die zudem von Monat zu Monat an Schärfe zunehmen. Es zeigt, daß sowohl durch die Zulassungsbehörde, als auch die EU - Kommission, das Ministerium für Gesundheit und den Gesetzgeber die verwaltungstechnischen Anforderungen laufend und nicht vorhersehbar vor allem zu Lasten der biologischen Arzneimittel geändert werden.

Neue GKV - Gesundheitsreform 2000

Zu Beginn des nächsten Jahres soll das neue Gesundheits - Strukturgesetz 2000 in Kraft treten, das in jedem Falle eine sog. Positivliste beinhalten wird. Nur die in diese Positivliste aufgenommenen Arzneimittel werden dann noch von der Gesetzlichen Krankenkassen erstattet. Nach dem seit 26. Mai 1999 vorliegenden Referentenentwurf wird es nur noch eine Positivliste geben; die Kommission beim neu zu schaffenden Institut für Arzneimittel soll nunmehr aus 9 Sachverständigen bestehen, davon nur je ein Sachverständiger der Phytotherapie, der Homöopathie und der Antroposophie (die anderen Sachverständigen sind Kliniker, Pharmakologen und Statistiker!). Die Kommission muß die Vorschlagslisten jeweils mit einer Mehrheit von mindestens 7 Stimmen beschließen, so daß hierdurch neben den 3 Sachverständigen für biologische Arzneimittel immer 4 Mitglieder des Institutes für Arzneimittel stimmen müßten, die diese aus ihrer bisherigen Tätigkeit weder von den Wirkstoffen noch von der therapeutischen Wirksamkeit her kennen, und damit auch keine Sachverständige für diesen Bereich sind. Die Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen sollen nur in einem Anhang zu der Positivliste aufgelistet werden; dies halten wir für diskriminierend. Alle Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen können - nicht wie zunächst beschlossen nur Phytotherapeutika - in den Hauptteil dieser Liste aufgenommen werden, sofern sie den für diesen geltenden Urteilsstandards entsprechen, eine sog. Optionslösung. Die Urteilsstandards werden per Verordnung durch das Ministerium festgelegt, sind bisher allerdings nicht bekannt und können gerichtlich nicht überprüft werden. Die Vorarbeiten für eine Positivliste würden etwa zwei Jahre benötigen, so daß die Liste frühestens Anfang 2002 in Kraft treten wird.

Im Gegensatz zum Beschluß des 102. Deutschen Ärztetages in Cottbus Anfang Juni 1999 halten die Deutschen Heilpraktiker eine Positivliste für falsch und überflüssig, da sie die Therapiefreiheit abschafft, biologische Arzneimittel vernichtet und ein Ausweichen auf teurere, häufig nebenwirkungsstärkere Arzneimittel verursacht.

Aktueller Stand der sog. Nachzulassung (Stand 02.09.1998)

Nach den letzten veröffentlichten Zahlen aus dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ergibt sich, daß in den 9 Jahren (seit April 1990) der Bearbeitung der Nachzulassung durch die Behörden von insgesamt 32.049 jemals gestellten Nachzulassungsanträgen (Ost- und West - Arzneimittel) bisher immerhin 1.503 Arzneimittel eine Zulassung erhalten haben, das sind knapp 5%! 46 % der Antrage wurden gelöscht bzw. von den Unternehmen und Apotheken zurückgenommen.

Derzeit müssen noch rd. 48% oder 15.389 aller Anträge bearbeitet werden, wovon 81% bisher noch nicht einmal ein Mängelschreiben von der Behörde erhalten haben.

Wenn man berücksichtigt, daß das BfArM in den ersten 9 Monaten des Jahres 1998 für genau 346 Anträge die Zulassung erteilt hat, kann man hochrechnen, bis wann dann die verbliebenen 15.389 Anträge bearbeitet sein werden. (Das Jahr 2025 erscheint durchaus realistisch).

10. AMG-Novelle wegen Beanstandung der Nachzulassung durch die EU - Kommission

Die EU hatte seit 1996 zweimal die Regierung der Bundesrepublik Deutschland abgemahnt und mit Klage vor dem Europäische Gerichtshof gedroht, da nach Auffassung der Kommission in Brüssel die oben beschriebene Nachzulassung für Altarzneimittel bereits seit Mai 1990 hätte abgeschlossen sein müssen, wie dies in allen anderen EU - Staaten bereits der Fall ist! Aus diesem Grunde wird derzeit an einer 10. AMG - Novelle gearbeitet, mit der z.B. die erst mit der 5. AMG - Novelle eingeführten sog. 2004-Präparate wieder abgeschafft werden.

Viel gravierender ist jedoch, daß von den pharmazeutischen Unternehmen innerhalb kürzester Zeit die - gesetzlich durch das AMG bisher nicht geforderten - jetzt aber der EU - Kommission vom Ministerium zugesagten pharmakologisch - toxikologischen sowie klinischen Unterlagen / Dokumentationen für jedes sich noch in dem Nachzulassungsverfahren befindliche Arzneimittel nachgereicht werden müssen. Für die vielen kleineren, mittelständischen Unternehmen, die ein breites und bewährtes Sortiment an biologischen Arzneimittel anbieten, sind die vom Ministerium jetzt geforderten Fristen für die Angabe dieser Unterlagen kaum zu bewältigen. Darüber hinaus werden ohne konkrete Veranlassung bisher gesetzlich mögliche Änderungen bei Arzneimittel abgeschafft, die das "Aus" für viele Arzneimittel bedeuten würden, nur weil eine Behörde seit über 20 Jahren anscheinend nicht in der Lage ist, Anträge für Arzneimittel - Zulassungen zeitgerecht zu bearbeiten.

Erstaunlicherweise werden nach dem vorliegenden Referentenentwurf zwar Rechtsmittel gegen Bescheide zugelassen, aber ohne aufschiebende Wirkung, so daß dann bewährte Arzneimittel bei unterschiedlicher Auffassung mit der Behörde zunächst vom Markt verschwinden müßten.

Kostenverordnung für die Nachzulassung

Zum Beginn des Jahres 1999 trat eine neue Kostenverordnung für die Nachzulassung in Kraft, die eine Erhöhung der Gebühren von bisher DM 3.100 auf jetzt DM 22.100 für phytotherapeutische Arzneimittel bzw. auf DM15.200 für homöopathische und anthroposophische Arzneimittel vorsieht; das sind 390% bzw. 612% Erhöhung!!! Zwar kommen für umsatzschwache Präparate Ermäßigungstatbestände bei den Gebühren zum Tragen, andererseits müssen sämtliche Arzneimittel alle 5 Jahre eine Verlängerung ihrer Zulassung durchführen, die dann wiederum DM 8.000 kostet, und für sog. "Traditionelle Arzneimittel" müssen DM 17.600 für eine Zulassung berappt werden. Diese Gebühren sind damit z.T. höher als die Jahresumsätze der Präparate!

Arzneimittel - Richtlinie (AMR)

Der "autonome" Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen hatte gegen den berechtigten Widerstand der naturheilkundlichen Therapeuten und der Industrie eine neue Arzneimittel - Richtlinie beschlossen, die viele biologische Arzneimittel bzw. ganze Indikationsgebiete, die eine Domäne der biologischen Arzneimittel sind, von der Erstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen ausschließen. Vom Bundesministerium für Gesundheit (trotz erheblicher interner Bedenken) nicht beanstandet, sollte diese neu gefaßte AMR am 01. April 1999 in Kraft treten. Dies hätte einen Ausschluß aus der Erstattung bzw. eine deutlich Erschwerung der Verordnungsfähigkeit (Besondere Regeldokumentation des Arztes) von vielen biologischen Arzneimittel und vor allem ganzer Indikationsgebiete bedeutet. Nur durch mehrere einstweilige Anordnungen von Gerichten konnte das in Krafttreten verhindert werden.

Zusammenfassung

Arzneimittel - Richtlinie und Strukturgesetz 2000 bewirken, daß viele Arzneimittel trotz Zulassung, aber auch Indikationsgebiete, die eine Domäne der besonderen Therapierichtungen sind, von der Erstattung durch die GKV ausgegrenzt werden. Ohne diesen wirtschaftlichen Hintergrund aber werden viele der seit Jahrzehnten in der Praxis erprobten und bewährten, nebenwirkungsarmen und kostengünstigen Arzneimittel vom Markt verschwinden und damit auch die diese Arzneimittel herstellenden Firmen.

Auswirkungen auf die Heilpraktiker

Die deutschen Heilpraktiker sind von all diesen Maßnahmen, insbesondere jedoch der AMR und einer Positivliste in zweifacher Hinsicht betroffen:

Unmittelbar betroffen deshalb, da eine Ausweitung der von der Erstattung ausgeschlossenen Arzneimittel oder Wirkstoffe zwar nur mit Gültigkeit für die GKV letztlich auch mit großer Wahrscheinlichkeit zumindest teilweise von den Beihilfen oder den privaten Krankenkassen übernommen würde; damit ist die Erstattung von durch Heilpraktiker rezeptierte Arzneimittel unmittelbar beeinflußt.

Mittelbar betroffen sind die Heilpraktiker in ihrer Therapiefreiheit,

Die biologischen Arzneimittel würden dann weder dem Heilpraktiker als Therapeut noch dem Patienten in Zukunft zur Verfügung stehen. Dies widerspricht dem vom Gesetzgeber bisher garantierten Pluralismus.

Aufgaben und Tätigkeit der Arzneimittel - Kommission

Die Arzneimittel - Kommission der Deutsche Heilpraktiker wurde in ihrer heutigen Form und Organisationsstruktur 1994 gemeinsam von den Berufsverbänden "Die Deutschen Heilpraktikerverbände", bestehend aus den sechs großen Verbänden:

gegründet und vertritt den gesamten Berufsstand der deutschen Heilpraktiker in allen arzneimittelrechtlichen Fragen bei Behörden, Ministerien und in der Öffentlichkeit. Die AMK der Deutschen Heilpraktikern repräsentiert neben den Arzneimittel - Kommissionen der Ärzte, Apotheker, Tierärzte, Zahnärzte und der Hufelandgesellschaft die selbständigen Berufe des Gesundheitswesen bei den durch das Arzneimittelgesetz bestimmten Aufgaben, wie z.B. in §§ 62, 63 AMG bei Stufenplanverfahren. Ziel der Arbeit der Arzneimittel - Kommission ist, die Therapiefreiheit und Verordnungsvielfalt bei Arzneimitteln und Medizinprodukten dem Heilpraktikerstand zu erhalten und jede nicht fachlich gerechtfertigte Einschränkung bei biologischen Arzneimitteln zu verhindern.

D. Fendt, Sprecher der AMK

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Naturheilpraxis 09/99