Fachforum

Der Parkinson-Patient

von Karl-Heinz Claus

James Parkinson (1755 - 1824), englischer Arzt, Geologe und Paläontologe, veröffentlichte 1817 eine Schrift über eine Erkrankung, die, wie er glaubte, ungenügend erkannt und berücksichtigt werde, und die man später nach ihm benannte. Das Parkinson-Syndrom gehört zu den häufigsten degenerativen Erkrankungen des zentralen Nervensystems. Das mittlere Erkrankungsalter liegt zwischen 58 bis 62 Jahren. Nach dem 70. Lebensjahr betrifft es ca. 2 % der Bevölkerung. Auch Wilhelm von Humboldt, Mao Tse-tung und Adolf Hitler sollen zu den Opfern der Erkrankung gezählt haben.

Die Diagnose ist gar nicht so einfach. Die meisten Patienten - so Prof. P.-A. Fischer (Frankfurt) - gehen mit ihrer steifen Schulter zuerst zum Orthopäden und werden dort über Monate oder Jahre falsch behandelt.

Die dauernde Anspannung der Muskulatur, von dem Patienten als Steifheitsgefühl empfunden, häufig begleitet von Schmerzen in den betroffenen Muskelgruppen, gibt Anlaß zu Fehldiagnosen, z. B. Schulter-Arm-Syndrom. Etwa 25 % erhalten eine falsche Erstdiagnose: Zervikalsyndrom, Bursitis, Arthritis, Ischialgie, Thrombophlebitis, Demenz, Schlaganfall. Selbst Experten stellen nur in 80 % der Fälle eine korrekte Diagnose.

Die Ursache und der Befund

Die Krankheit kann ausgelöst werden durch eine Entzündung, Verletzung oder Durchblutungsstörung des Gehirns oder auch durch Gifte (z. B. Kohlenmonoxid) und Medikamente (z. B. Neuroleptika). In den meisten Fällen ist die Ursache, auch die Ursache des Zellunterganges, unbekannt. Nach neuesten Erkenntnissen handelt es sich um eine Katecholaminmangelerkrankung, eine der häufigsten hirndegenerativen Systemerkrankungen. Als weiterer, vielleicht z. T. erblicher Faktor wird eine Schwäche der Atmungskette in den Mitochondrien diskutiert.

Die Symptomatik entwickelt sich schleichend. Oft ist das Zittern (Tremor) einer Extremität, manchmal auch nur eines Fingergliedes, das erste Anzeichen. Aber bald Verlangsamung aller motorischen Abläufe, mit verzögert einsetzendem Lächeln, leiser, monotoner Sprache, Fehlen der gestischen Bewegungen, Veränderung der Schrift, die nach rechts immer kleiner wird, kleinschrittiger Gang, vermindertes Mitpendeln der Arme beim Gehen, Schwierigkeiten, Bewegungen schnell auszuführen (z. B. Zähneputzen, Betten schütteln usw.). Sehr häufig psychische Auffälligkeiten wie depressive Verstimmungszustände und vegetative Störungen (Obstipation, Schweißausbrüche, Libidoverlust). Daneben fallen die Seborrhö (Salbengesicht) und orthostatische Hypotonie am häufigsten auf.

Typisch ist die vorgebeugte Körperhaltung, das schlürfende Gehen in kleinen Schritten, ohne daß die Arme mitpendeln, und ein plötzliches Trippeln. Der Kranke ist kaum noch fähig, Mimik und Gestik zu benutzen; das Gesicht kann zur Maske gefrieren. Mitunter kann der Parkinson-Kranke völlig erstarren - unfähig, sich zu rühren.

Parkinson-Patienten müssen sehr oft zur Toilette, wobei sich die Blase reflexartig schon bei einer Füllung von etwa 150 ml entleert. Der Drang setzt unmittelbar zuvor ein und kann nicht unterdrückt werden. Eine gute Antiparkinson-Einstellung bringt meist eine Besserung der Blasenfunktionsstörung.

Der Patient ist körperlich, sozial und psychisch behindert. Die Umwelt reagiert dem Kranken gegenüber oft verständnislos, weil die führenden Symptome fehlinterpretiert werden. Das Bild des verlangsamten Patienten legt die irrtümliche Annahme nahe, daß er auch geistig beeinträchtigt sei. Durch die Verlangsamung des Denkens und auch durch die motorischen Störungen laufen die Patienten Gefahr, ihren Beruf zu verlieren oder vorzeitig berentet zu werden. Die meisten Kranken ziehen sich zurück. Sie schämen sich, weil sie zittern, schlurfen, speicheln, langsamer denken und deshalb oft in ihrer Umgebung das Ansehen verloren haben.

Die Probleme der Therapie

Die Handhabung einer adäquaten Therapie ist nicht einfach. Eine kurative Therapie gibt es derzeit nicht. Die Therapie des Parkinson-Syndroms ist eine Langzeittherapie eines chronisch progredienten, nach wie vor nicht kausal zu behandelnden Krankheitsbildes. Einzige Möglichkeit ist die symptomatische Behandlung. In jedem Fall ist eine frühe medikamentöse Therapie erforderlich, wobei jedoch anfangs ausnahmslos verschreibungspflichtige Medikamente eingesetzt werden müssen. Die Therapie ist daher zunächst Sache der Klinik.

Der schwerwiegenden Behinderung des Patienten und der Last und Mühsal, die ihm aufgebürdet sind, zufolge, hofft man natürlich auch auf Hilfe durch naturheilkundliche Maßnahmen. Medikamentös bieten sich diesbezüglich vor allem adjuvante Möglichkeiten:

Zur symptomatischen Behandlung von chronischen hirnorganisch bedingten Leistungsstörungen: Ardeyceryl®P (Ardeypharm).

Bei Tremor, auch bei Neuroleptika-Parkinsonoid: Tremarit® (Wander Pharma).

Bei Störungen von Gehirnfunktionen, Krankheiten des ZNS, insbesondere also Parkinson: NeyDop® (vitOrgan) für Injektionen.

Als Homöopathikum: elhapargen® (elha), Tropfen und Ampullen.

Zur Behandlung von Unruhe, Depressionen und Antriebsarmut: Aristoforat® (Steiner), Cesradyston®200 (Redel), Neuropas® (Pascoe).

Nach einem in New York veröffentlichten Bericht zeigten Patienten mit Parkinsonscher Erkrankung unter Therapie mit Vitamin E und Vitamin C eine um 2,5 Jahre verlangsamte Progression des Krankheitsbildes.

In experimentellen Untersuchungen und Übersichtsarbeiten wird die mögliche positive Wirkung des Rauchens auf die Symptome von Patienten mit einem Parkinson-Syndrom sehr kontrovers diskutiert. Raucher sollen seltener an Morbus Parkinson erkranken als Nichtraucher. Neuroleptika-bedingte Symptome eines Parkinson (Tremor, Bewegungsarmut, Bewegungshemmung des Rumpfes, der Glieder, der Gesichtsmuskeln, Verlust der spontanen Motorik) sollen durch Nikotinabusus reduziert werden.

Zeit ist der wichtigste Faktor der Behandlung

Patient und Therapeut dürfen nicht ungeduldig werden. Von zentraler Bedeutung ist die Führung des Patienten und seiner Angehörigen, um Passivität und Depressionen des Patienten zu vermeiden. Der Therapeut muß versuchen, in einem gründlichen Gespräch mit dem Patienten, dessen Ängste aufzuspüren, seine Berufsfähigkeit abzuwägen und die sozialen Kontakte zu fördern. Auch Physiotherapie ist wichtig: Teilnahme an Atemtherapie, Sprachtherapie und Krankengymnastik. Sinnvoll ist die krankengymnastische Therapie bereits ab Diagnosestellung. Die Krankengymnastik erfüllt einen wichtigen Platz in der Therapie: Der Entwicklung von Kontrakturen und Muskelatrophien wird vorgebeugt, noch erhaltene Bewegungsmuster werden durch Übung konserviert.

Gangschulung (kann im Barren stattfinden), wobei auch das Greifen geübt wird. Beim Stehen wird die Haltung korrigiert und das Vor- und Rückwärtsgreifen geübt. Schritte werden ebenfalls nach vorne und nach hinten trainiert. Geübt wird der Start des Gehens mit Kniehochziehen. Es wird versucht die Schrittlänge und das Tempo zu verbessern und über Hindernisse zu steigen.

Als Heimprogramm wird dem Patienten im Bett das Umdrehen, Seitrutschen, Aufsetzen, das Aufstehen und Niedersetzen aufgegeben. Außerdem Übungen der Gelenkbeweglichkeit: Hände in den Nacken legen und mit dem Ellbogen das gegenüberliegende Knie zu erreichen versuchen. Mit hoch erhobenen Armen an der Wand das Becken wegdrücken. Nach verschiedenen Gegenständen greifen lassen. Text in großer Schrift abschreiben.

Dabei ist auf die besondere psychische Situation des Parkinson-Patienten Rücksicht zu nehmen.

Der Parkinson-Kranke muß nicht unbedingt ein hoffnungsloser Fall sein!

Literatur:

Achten, Dr. Bernd: Der Praktische Arzt 19 (1990).
Erdmann, Dr. R.: extracta psychiatrica 12 (1996).
Fuchs, Dr. Gerd: extracta psychiatrica 3 (1996).
Lang, PD Dr. med. C.: Geriatrie Praxis 7 (1990).
Ulm, Dr. med. Gudrun: Geriatrie Praxis 12 (1996).

Anschrift des Verfassers:
Karl-Heinz Claus
Kirchbachstraße 24
77815 Bühl.

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Naturheilpraxis 09/99