Thema Ausbildung

Ausbildungsmöglichkeiten an Heilpraktikerschulen

von Anja Siegert

Teil 1: Gesetzliche Grundlagen der Heilpraktikerschulen sowie eine Übersicht über deren Ausbildungsziele, Auswahlkriterien, Größe und Unterrichtsformen

Der berufsmäßigen Tätigkeit, die Heilkunde ohne Approbation auszuüben, liegt keine festgesetzte Ausbildungsregelung zugrunde. Dies hat zur Folge, daß für den Beruf des Heilpraktikers keine Zulassungsvoraussetzungen bezüglich schulischer oder anderer praktischer Seminare oder Kurse maßgebend sind. Damit gibt es im Bereich der Heilpraktikeraus- und fortbildung auch keinerlei staatliche Vorschriften oder Reglementierungen. Für einen Interessenten ist es möglich, verschiedenste Formen und Variationen einer Berufsausbildung zu wählen, angefangen von einem eigenverantwortlichen, autodidaktischen Studium über ein Fernstudium bis hin zu einer dreijährigen Vollzeit- oder Tagesschule an einem Heilpraktikerinstitut.

Es existiert mittlerweile eine große Zahl von Heilpraktikerschulen; man muß nur am Wochenende die Tageszeitung aufschlagen und unter der Spalte "Unterricht" nachsehen: Das Angebot an Heilpraktikerausbildungsmöglichkeiten ist sprunghaft angestiegen.

Alle diese Ausbildungsinstitute für Heilpraktiker haben keine gesetzliche Reglementierung oder Einschränkung - da ja keine staatlichen Ausbildungsvorschriften für den Beruf des Heilpraktikers existieren - seitens des Staates zu befürchten. Die Institute unterstehen als freie Unterrichtsunternehmungen im Sinne des § 16 des Privatschulgesetzes nicht der Schulaufsicht und benötigen somit für ihren Betrieb keinerlei schulrechtlicher Anzeige oder staatlicher Genehmigung. Natürlich finden sonstige allgemeine ordnungsrechtliche Vorschriften auf solche Ausbildungsinstitute eine Anwendung. Heilpraktikerschulen besitzen - im Rahmen ihrer Tätigkeit als reine Privatschule - die Möglichkeit sich nach § 4 Nr. 21 b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) von selbiger befreien zu lassen, wenn gewisse Mindestanforderungen erfüllt werden. Das Einhalten bestimmter Mindestbedingungen soll fachlich oder geschäftlich unseriöse Institute von der Steuerbefreiung ausschließen. Diese Mindestanforderungen sind jedoch keine Kriterien einer Schulzulassung nach Bundes- oder Länderrecht; d. h. mit einer weiteren Kurs- bzw. Schulüberwachung haben diese Mindestbedingungen nichts zu tun, es steht nur ein rein steuerlicher Aspekt im Vordergrund.

Bei einer möglichen Gliederung auf dem Markt befindlicher Heilpraktikerschulen könnte man zunächst folgende Unterscheidungskriterien festhalten:

* Unterscheidung nach der Art des Ausbildungszieles,

* Umfang und Größe der Schule (auch hinsichtlich der dort tätigen Dozenten),

* Zugehörigkeit der Ausbildungsstätte zu einem anerkannten Verband.

Hinsichtlich einer Ausbildung zum Heilpraktiker kann man aus Erfahrung generell zwei verschiedene Vorgehensweisen unterscheiden. Einmal diejenige, welche als Ziel hat, den Anwärter hauptsächlich nur auf ein Bestehen der Amtsarztüberprüfung vorzubereiten ("Überprüfungsreife") und andererseits eine Ausbildung, welche über das erst genannte Ziel hinausgeht und auf eine reale Praxisreife hinarbeiten will. Es dürfte aber wohl klar sein, daß eine Ausbildung bis zur Überprüfungsreife keinesfalls reicht, selbständig eine Naturheilpraxis zu führen!

Die Mehrheit der Ausbildungsinstitute bieten dem Anwärter zuerst einmal eine Vorbereitung auf die amtsärztliche Überprüfung an. Hier werden überwiegend berufsrechtliche und medizinische Grundkenntnisse vermittelt, daneben kann es zu einer kurzen inhaltlichen Berührung von naturheilkundlichen Verfahren kommen. Erst in einem zweiten Ausbildungsteil werden dem Aspiranten spezifische Diagnose- und Therapieverfahren nahegebracht und möglichst auch eingeübt. Bei manchen Ausbildungsarten kann neben der Überprüfungsreife eine gewisse Praxissicherheit in der Ausbildung mit angestrebt werden, wie z. B. bei Ganztagesschulen.

Oft werden Interessenten einzelner Ausbildungsinstitute nach individuellen Auswahlkriterien aufgenommen. Als Mindestvoraussetzungen gelten: Qualifizierter Volks- bzw. Hauptschulabschluß (manchmal in Verbindung mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung) und das Mindestalter bei Ausbildungsbeginn zwischen 19 und 22 Jahren. (Achtung: die Erteilung der Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung wird allerdings erst ab dem 25. Lebensjahr - nach bestandener Überprüfung - erteilt). Teilweise wird auch ein "ausführliches Auswahlgespräch" bzw. ein sogenannter "Motivationsbogen" seitens der Schulleiter bei der Einstellung verlangt, in welchem der Interessent darlegen soll, wieso und warum er gerne Heilpraktiker werden möchte. Die Frage möge kommentarlos in den Raum gestellt werden, ob o. g. "Auswahlkriterien" letztlich wirklich entscheidend sind, einen Schüler in die entsprechende Heilpraktikerschule aufzunehmen oder ob überwiegend pekuniäre Interessen den Ausschlag zur Aufnahme geben könnten.

Was die Größe einer Heilpraktikerschule anbelangt, kann man überaus unterschiedliche Formate erkennen. In der letzten Zeit kommen immer mehr sehr kleine "Ausbildungsinstitute" auf den Markt, in welchen einzelne Heilpraktiker in ihren Naturheilpraxen neben der reinen Behandlung von Patienten auch der Ausbildung von Heilpraktikeranwärtern nachgehen. Als Ursachen dieser Flut von Neueröffnungen mögen wohl einerseits Auslastungs- bzw. finanzielle Problematiken seitens der Praxisbetreiber relevant sein - vor allem bei erst vor kurzem niedergelassenen Heilpraktikern, welche sowohl eine gewisse "Durststrecke" überstehen wollen. Auf der anderen Seite ist es durchaus möglich, daß ein erfahrener, langjährig praktizierender Heilpraktiker kleinen Schülergruppen sehr wohl fundiertes Praxiswissen gerade im erfahrungsheilkundlichen Bereich nahe bringen kann.

In Diskussionen mit Amtsärzten, die Überprüfungserfahrung besitzen, wurde immer wieder darüber gesprochen, daß einige Heilpraktiker, welche als Beisitzer bei Überprüfungen fungierten, sich eigene Lerngruppen mit zahlenden Schülern zusammenstellten, um mit ihnen eine "gezielte Vorbereitung" vornehmen zu können. Dadurch wurde in den einzelnen Amtsarztbezirken die Regelung installiert, daß kein Heilpraktiker als Beisitzer fungieren sollte, der gleichzeitig in der Ausbildung von Heilpraktikeranwärtern tätig ist. Die großen Heilpraktikerausbildungsstätten gehören meist einem der maßgeblichen Heilpraktikerverbände an. Dies hat den Vorteil, daß sie sich den geltenden Regelungen und Satzungen der Verbände Deutscher Heilpraktiker unterwerfen. Sinn ist es einen gewissen Qualitätsstandard in der Heilpraktikerausbildung festschreiben zu können. Dieser betrifft z. B. Faktoren der Einstellungsbedingungen für Auszubildende, der Schulverträge, der Unterrichtsräume, dem Umfang und der Inhalte der zu vermittelnden Kenntnisse, der Leistungsnachweise innerhalb der Ausbildung, der Dozentenschaft und der Unterrichtsgebühren. Gemäß den Satzungen soll die Ausbildung nicht nur auf eine Überprüfungsreife hin angelegt sein, sondern vor allem zu einer soliden Praxisreife führen. Alle diese verbandlichen Vorgaben legen schon zentrale Teile einer seriösen Ausbildung fest, welche z. B. kleine, nicht den Verbänden angehörende Heilpraktikerschulen oft nicht einhalten können oder wollen.

Wie der Unterricht letztendlich gestaltet wird und welches Wissen den Anwärtern vermittelt werden soll, ist sehr stark abhängig von der jeweiligen Dozentenschaft. Wichtig ist hierbei zu beachten, daß unterschiedliche Dozenten mit Erfahrung - z. B. aus der Biologen-, Ärzte-, Psychologen- und Heilpraktikerschaft zum Zuge kommen. Daneben hängt eine gute Wissensvermittlung sowohl in der Theorie als auch in der Praxis überwiegend vom pädagogischen Einfühlungsvermögen und Können der einzelnen Dozenten ab. Den Unterricht alleine nur von Heilpraktikern - gerade im medizinischen Bereich - führen zu lassen, würde dem hohen Anspruch einer gediegenen Wissensvermittlung wohl kaum genügen.

Durch eine ansprechende und gelungene Art des Dozierens werden Studenten zusätzlich motiviert, was sich letztendlich in der Zufriedenheit mit ihrer Ausbildungsschule niederschlägt, welche ja als freies Unternehmen auch von der Mund-zu-Mundpropaganda ihrer Studenten leben muß. Gleichzeitig wird eine glaubwürdige und ernsthafte Auseinandersetzung mit der Verantwortlichkeit und den Grenzen dieses Berufes aufgezeigt. Insgesamt kann man die Art der Wissensvermittlung - gerade in den theoretischen Unterrichtsbereichen - mit denen an Fachhochschulen und Universitäten vergleichen. Es kristallisiert sich vor allem der Frontalunterricht als bestimmende Lehrform heraus. Daneben wird häufig in den praktischen Fächern, wie z. B. Untersuchungstechniken, Einüben von manuellen Therapieverfahren usw. Gruppenarbeit mit den einzelnen Schülern untereinander bzw. auch aneinander gewährleistet.

- Fortsetzung der Thematik folgt in der nächsten Ausgabe -

Eine komplette Zusammenfassung in Scriptform zum Thema Ausbildung mit allen aktuellen Informationen ist nach dem Erscheinen in der NATURHEILPRAXIS über die Autorin zum Preis von DM 79,- erhältlich.

Anschrift der Verfasserin:
A.S.i.t. - Anja Siegert
Pilgerwiesenstraße 15
73630 Remshalden



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Naturheilpraxis 08/99