POLITIK

60 Jahre Heilpraktikergesetz

Kleine geschichtliche Skizze

von Peter Germann

Geschichte

Seit Menschengedenken wird in allen Völkern die Heilkunde ausgeübt.

In ihrem Urzustand wird sie als Gabe der Götter angesehen und ist somit auch dem Stand der Priester vorbehalten. Aber im Laufe der Zeit ging die medizinische Tätigkeit auch immer mehr in die Hand von Laien über, die die Neigung und Fähigkeit in sich entdeckten oder durch äußere Umstände sogar dazu gezwungen wurden. In der Antike wurde der Heilkundige dann in Schulen ausgebildet, die das Wissen ihrere Zeit weitergaben. Hier ging die Schere der Laien und Geschulten schon weiter auseinander.

Nun kann daraus aber nicht gefolgert werden, daß sich die Berufstände des Arztes und des heutigen Heilpraktikers zu der Zeit schon trennten, da der Heilpraktiker der Wahrer und Fortführer auch dieser alten Tradition ist.

Zur Zeit der Antike wurde die medizinische Tätigkeit in zwei große Hauptgebiete geteilt : die innere Medizin und die Chirurgie (cheir = Hand, ourg = Werk). Die Ausübung wurde von zwei getrennt ausgebildeten Berufsgruppen ausgeführt, dem Arzt (archiater = Oberarzt, altdeutsch = arzat), der "medicus purus" und dem Chirurgen. Letzterer erledigte die "handwerklichen" Tätigkeiten, unter anderem die Wundversorgung und Schneideausführungen (Operationen). Bis 1848 genossen beide Berufsstände in Deutschland noch verschiedenartige Ausbildungen auf unterschiedlichen Universitäten.


Heilkunde im deutschen Mittelalter

In Deutschland finden sich seit der frühesten Zeit Arzt und Nichtarzt nebeneinander, es bestand zunächst nicht mal eine scharfe Unterscheidung.

Bei der Unvollkommenheit und Unterschiedlichkeit der Ausbildung war die Grenze zwischen dem "arzat" und anderen Heilbehandlern oft schwer oder gar nicht zu ziehen. Hinzu kommt die Gleichartigkeit der Behandlungsweisen auf naturheilkundlicher Grundlage.

Im 12. und 13. Jahrhundert vermitteln immer mehr Universitäten das Heilweissen, welches mit vorgesehenen Studiendauern und Prüfungen belegt wird. Hier wird die Unterscheidung zwischen Arzt und nichtärztlichem Heilbehandler schärfer. Auch scheidet sich die Laienmedizin wieder in die schon beschriebenen zwei Gruppen der inneren Medizin und der Chirurgie. Die Ausübenden der Medizin sind verschiedenartigste Berufe : "Allerlei gelahrte Personen", Schul- und Kirchendiener, Siebmacher, Schinder, Nachrichter, Schuhmacher, Färber und Schmiede, Schäfer, Bäcker und Destillateure, Alchimisten, Apotheker und Laboranten.

Die Kundigen der "niederen Chirugie" bestanden unter anderem aus Berufsständen wie Starstecher und Okultisten (Vorläufer der Augenheilkundigen), Steinschneider (operative Entfernung von Harnsteinen), Masseure und

Knetweiber, Bruchärzte und Operatores, Zahnbrecher, Bader und Barbiere, wobei im Mittelalter letztere sogar hauptsächlich die Chirugie ausübten - und die Hebammen. Der Arztstand sah diese ungebetene Konkurrenz mit Mißvergnügen und forderte gesetzliche Regelungen. Allerdings stand die Obrigkeit diesen Dingen noch gleichgültig gegenüber.


Erste gesetzliche Regelungen

Die großen Gesetzteswerke Bambergiensis, die Bambergische Halsgerichtsordnung von 1507 und die Carolina, die Gerichtsordnung Karls V. von 1532, verboten nicht die Laienheilkunde, sondern warnten vor "leichtfertiger Medizinalpfuscherei". Es wurden bei Verstoß strenge "peinliche" (körperliche) Strafen angedroht. Kommunal ist schon 1477 von Eberhard von Württemberg für Tübingen ein direktes Verbot und eine Regelungen in besonderen Fällen für die nichtärztliche Ausübung der Heilkunde ausgesprochen worden. Das preußische Medizinaledikt von 1685 regelt die Ausbildung und Prüfung in allen heilkundigen Fächern der Studierenden, aber auch die Überwachung der Bruchärzte und Bader, um Verrichtungen außerhalb der Grenzen ihrer Privilegien zu verhindern.

Das neueingeschärfte Medizinaledikt von 1725 bestimmt, daß das innerliche Kurieren nur noch den approbierten "medicinae doctoribus" und das Operieren nur noch den examinierten "chirurgis" zugestanden sei. Operatoren, Okultisten und Zahnärzte durften nur noch auf Grund besonderer Privilegien tätig sein. Der Erfolg blieb jedoch stets hinter dem gesetzgeberischen Willen zurück!


Gewerbeordnung von 1869

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das mittelalterliche Zunftsrecht abgeschafft und eine weitgehende Gewerbefreiheit erstellt. Die Heilberufe wurden aber entweder in die Gewerbegesetze nicht mit aufgenommen (Hessen, Waldeck, Braunschweig, Frankfurt), oder man nahm sie zwar auf, beließ es aber weiterhin für sie bei einem System von Approbation, Konzession oder Erlaubnis (Preußen, Sachsen, Hamburg, Lübeck, Thüringen). Hier gab es allerdings die unterschiedlichsten Regelungen, wie beispielsweies eine polizeiliche Erlaubnis, die nach Prüfung der persönlichen Zuverlässigkeit und dem Beibringen eines Befähigungsnachweises, erteilt wurde.

1868 erfolgte die Aufhebung fast aller Kurierbeschränkungen. Hier wurden auch liberale Ideen auf dem Gebiet des Heilwesen verwirklicht, das nicht mehr als Reservat polizeistaatlicher Bevormundung und zunftartiger Privilegien des Arztstandes angesehen werden sollte. Die GO (Gewerbeordung) besagt in § 29 IV, daß landesrechtlich auch Nichtapprobierte heilerische Verrichtungen vornehmen können oder besonders begabte Personen vom Prüfungszwang befreit werden dürfen. Weiterhin wurden auch die verschiedenen spezialärztlichen Approbationen wie Augen-, Wund- und Wundarzt 1. Klasse, Geburtshelfer usw. aufgehoben und ein einheitlicher Arztbegriff, neben dem Zahn- und Tierarzt, geschaffen. Hinsichtlich der Ausübung der Heilkunde durch Nichtapprobierte waren folgende Bestimmungen der GO zu beachten :

1.) Die GO stellte nahezu uneingeschränkte Kurierfreiheit her und bezog den Grundsatz der Gewerbefreiheit auch auf die Heilberufe. Ledigtlich solche Personen, die sich als "Ärzte" oder mit einem gleichbedeutenden Titel bezeichnen wollen, bedürfen einer Approbation.

2.) Wer von seiten einer Behörde als Arzt anerkannt oder mit amtlichen ärztlichen Funktionen betraut werden will, bedarf der Approbation.

3.) § 29 sollte die Möglichkeit eröffnen, "Personen wegen wissenschaftlich erprobten Leistungen von der vorgeschriebenen Prüfung zu entbinden".

4.) Gemäß § 30 bedürfen Unternehmer von Privatkliniken eine Konzession. Diese Bestimmung gilt für Ärzte und Nichtärzte.

5.) Nach § 30 bedürfen Hebammen eines Prüfungszeugnisses. Somit wurden Frauen, nicht aber nichtapprobierte Männer (!), von geburtshelferischen Handlungen ausgeschlossen. Dieser §30 GO wurde erst durch das Hebammengesetzt von 1938 außer Kraft gesetzt.

6.) Gemäß § 56a wurde die Ausübung der Heilkunde im Umherziehen, das Wandergewerbe, den Nichtapprobierten verboten.

7.) Der Heilkundige ist den gesetzlichen Beschränkungen über den Handel mit Arzneimitteln, Rauschgift und Betäubungsmitteln unterworfen.

Die Auswirkung dieser Neuregelung war die Zunahme der nichtapprobierten Heilbehandler.So stieg die Zahl in Preußen von 2404 im Jahre 1898 auf 7549 im Jahre 1908. Ähnlich war es auch in anderen deutschen Ländern.

Es war auch ein Verlangen der stark zunehmenden Bevölkerung da, welche oft nicht ausreichend ärztlich versorgt wurde. Aber auch die neuentstandene, mannigfach orientierte Bewegung für naturgemäße Lebensweise und Bekämpfung von Zivilisationsschäden tat das Ihrige.

Mit der Zunahme der nichtüberprüften Heilbehandler nahm allerdings auch das Feld der Betrüger und Scharlatane zu, sodaß im Jahre 1900 in Berlin allein 29% der nichtapprobierten Heiltätigen wegen Kurpfuscherei vorbestraft waren.

Der Kampf gegen die Mißstände im Heilwesen begann bald. Zudem sahen die Ärzte in der wachsenden Zahl der Heilbehandler eine Bedrohung des eigenen Berufstandes. Im Jahre 1903 gründete die Ärzteschaft die "Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung des Kurpfuschertums" (DGBK). Die DGBK führte propagandistischen Kampf gegen die Laienärzte. Volksgesundheitsbewegungen klärten die Bevölkerung ständig in Wort und Schrift auf und Verbände bemühten sich, in ihren Reihen nur Laienbehandler mit ernsthafter beruflicher Betätigung, einwandfreiem Charakter und tadelfreiem Verhalten aufzunehmen.


Entwürfe reichsgesetzlicher Regelung

ichtapprobierte Personen dem Reichtag vorgelegt und nach Beseitigung von Mängeln 1909 als "Gesetz gegen Mißstände im Heilgewerbe" erneut beraten, ohne jedoch angenommen zu werden. Dieses Gesetz hätte zwar kein grundsätzliches Kurierverbot für Laienärzte gebracht, aber ihre Betätigung außerordenlich eingeschränkt und überwacht. Auch in und nach dem ersten Weltkrieg wurden verschiedene Reformvorschläge auf dem Gebiet des Heilwesens gemacht. Neu war auch der Versuch der DGBK, die "Kurpfuscherfrage" auf dem Wege des Strafrechts zu lösen, was 1930 vom Deutschen Reichstag endgültig abgelehnt wurde.

Verschiedene landesrechtliche Vorschriften versuchten, die Ausübung der Heilkunde näher zu regeln. So verbot Hamburg die Ausübung der Heilkunde Personen unter 21 Jahren, Lübeck forderte die Führung eines Patientenverzeichnisses und beinahe alle Länder erließen Bestimmungen über die Untersagung öffentlicher Vorstellungen von Magnetiseuren und Suggesteuren.

Bedeutsamer sind die bis 1933 ergangenen reichsgesetzlichen Regelungen :

1.) Das Reichsimpfgesetzt gestatte die Vornahme von Schutzpockenimpfungen nur Ärzten und Impfärzten (1874)

2.) Das Gesetz zur Bekämpfung von gemeingefährlichen Krankheiten (Reichsseuchengesetzt) gibt Sicherheits- und Meldevorschriften für alle Heilkundigen (1900)

3.) Das Gesetz zum Schutze des Genfer Neutralitätszeichens besagt eine besondere Erlaubnispflicht zur Benutzung des Rote-Kreuz-Zeichens (1902)

4.) Die Reichsversicherungsordnung (RVO) bestimmt in § 122, das ärztliche Behandlung im Sinne des Gesetzes nur durch approbierte Ärzte geleiste wird (1911, Fassung 1924)

5.) Das Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten (Geschlechtskrankengesetz) schränkt die Tätigkeit des Laienarztes ein (1927).

Im "Dritten Reich" wurde die Überwachungspflicht durch den Amtsarzt in dem Reichgesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens von 1934 geregelt. Weiterhin die Stellung ärztlicher Hilfsberufe im Krankenpflegegesetz von 1938 und die Geburtshilfe im Hebammengesetzt, ebenfalls von 1938.


Heilpraktikergesetz von 1939

1.) Das Verbot der Ausübung der Heilkunde sollte gewerbsmäßige wie auch gelegentliche Tätigkeiten umfassen.

2.) Es sollte der Stand des approbierten Heilpraktikers geschaffen werden, der aber von der Geburtshilfe und Chirurgie ausgeschlossen sein sollte.

3.) Eine Regelung der Ausbildung und Vorbereitungszeit des Berufsaspiranten, der nach erfolgreichem Examen Anspruch auf Zulasung haben sollte.

4.) Der Heilpraktikerverband sollte als "öffentlich-rechtliche Körperschaft" anerkannt werden und eine Zwangsorganisation darstellen, die nach einer vom RMdI ( Reichsminister des Inneren) zu genehmigenden Satzung näher ausgestaltet werden sollte.

Der Kampf um dieses Gesetzt wurde 6 Jahre lang mit großer Erbitterung geführt. Auf der einen Seite stand die Medizinalbürokratie, die im Reichsgesundheitsamt, in den Ärztekammern, in der Partei und der SS entscheidende Positionen innehatten, auf der anderen Seite standen die Volksgesundheits- und HP-Verbände, die infolge des Prozeßes der Politisierung aller Lebensbereiche plötzlich auch aus der privaten Vereinssphäre heraustraten und in die "volkgenössische Ordnung" eingegliedert wurden. So entstand im Zuge der Gleichschaltung der "Heilpraktikerbund Deutschland".

Im Sinne einer Medizinalordnung ist ein Entwurf von 1937 zu sehen. Es sollte ein Rahmengesetz mit dem Titel "Gesetz zum Schutz der deutschen Volksgesundheit" erlassen werden. Hier sollten die Berufsverhältnisse der Heilpraktiker, Dentisten und Masseure geregelt werden, sowie der Ausschluß der Behandlung einzelner Krankheiten und das Verbot bestimmter Heilmethoden. Im Mittelpunkt stand die Frage des HP-Nachwuchses, wobei eine totale Nachwuchssperre angestrebt wurde.

Dr. Gillhausen schreibt :
"Die ablehnende Haltung der NS-Regierung mochte überraschen. Die damals allseits bekannte, der Naturheilkunde freundlich gegenüberstehende Haltung des "Stellvertreters des Führeres", Reichsminister Heß, darf nicht über andere gewichtige Triebkräfte hinwegtäuschen."

Am 17. Februar 1939 erging schließlich das "Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung", dem Heilpraktiker-Gesetz.

Es führte den Erlaubniszwang ein und schuf die gesetzliche Berufsbezeichnung "Heilpraktiker". Es verankerte aber auch die heißumstrittene Nachswuchssperre, sodaß nur Personen, die bisher schon die Heilkunde ausgeübt hatten, sowie die gegenwärtigen HP-Schüler den Antrag auf Zulassung stellen konnten. Goebbels schrieb im "Völkischen Beobachter": "Das HP-Gesetz ist für den Heilpraktikerstand Wiege und Grab zugleich."

Einen Tag später erging die Durchführungsverordnung (DfVO). Sie regelt unter anderem das Verfahren für die Beantragung und Erteilung der Erlaubnis, die Versagensgründe, das Beschwerderecht, die nachträglichen Rücknahmemöglichkeiten und den bei diesem Verfahren beteiligten Gutachterausschuß.

Die 2. Durchführungsverordnung vom 3. Juli 1941 fügte hinzu : "Wenn eine Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten ergibt, daß die Tätigkeit des Betreffenden eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde."

Am 22. Oktober 1941 erging die "Berufsordnung für die deutschen Heilpraktiker". Sie regelt die berufsmäßigen Rechte und Pflichten der HPs, ihr Verhältnis zum Patienten, zum Staat und untereinander. Weiterhin gibt es verschiedene Verlautbarungen des "Reichsheilpraktikerführers" (RHF), wie beispielsweise die "Gebührenordung für Heilpraktiker" (Geboheil).


Nach dem Zusammenbruch 1945

Die Besatzungsmächte haben eine Reihe von Gesetzen und zahlreiche Regelungen aus der Zeit des "Dritten Reichs" ausdrücklich aufgehoben. Es handelt sich dabei um Gesetze mit typisch politischem Einschlag, die sogenannten "nazistischen" Gesetze. Unter den außer Kraft gesetzten Regelungen gehört nicht das HP-Gesetz. Die Tatsache, daß das HP-Gesetz während der Periode des "Dritten Reichs" erlassen worden ist rechtfertigt allein noch nicht die Ablehnung. Entscheident könnte nur der "nazistische" Inhalt oder Zweck sein. Diese Frage läßt sich aus der Entstehungsgeschichte beantworten. Es zeigt zwar die national-sozialistsiche Staatsaufassung, alle Bereiche des öffentlichen Lebens zu regeln, es hat aber in Bezug auf den Inhalt keineswegs nazional-sozialistische Tendenz.

Für die Länder der drei westlichen Besatzungszonen, deren Gesamtverfassung heute das Grundgesetz (GG) ausdrückt, ist das Heilpraktikergesetz gemäß Artikel 125 GG als bisheriges Reichsrecht nunmehr Bundesrecht. Auch in den Ländern der sowjetisch besetzen Zone ist die Anwendbarkeit des HP-Gesetzes bejaht worden. Die "Deutsche Zentralverwaltung für Gesundheitswesen in der sowjetischen Zone" (DZVG) sieht den rechtlichen Charakter nicht als ganz anwandfrei an. So wurden verschiedene, neue Entwürfe geschaffen. Am 18. Februar 1949 erließ die "Deutsche Wirtschaftskommission der sowjetischen Zone" (DWK) die "Approbationsordnung für Ärzte", die auch das HP-Recht enthält. Sie sagt aus, das jede "berufs- oder gewohnheitsmäßige oder gegen Entgeld ausgeübte Heilkunde den Ärzten und Heilpraktikern vorbehalten ist". Gleichzeitigt bestätigt sie aber auch die Nachwuchssperre, sodaß der Berufsstand in der DDR der Aussterbegesetzgebung unterliegt. Erst mit Aufhebung des DDR-Staates und dem Übergang in die Gesetzmäßigkeiten der BRD ist der Berufsstand des Heilpaktikers in den sogenannten neuen Bundesländern wieder ausübbar. Bei der Aufhebung der Grenzen 1989 waren noch eine handvoll Heilpraktiker nach der Bestimmung von vor 1949 tätig.

In Österreich, wo das Reichsrecht nach 1945 zunächst weiter galt, wurde im Zuge der Wiederherstellung des vor dem 12. März 1938 in Anwendung gewesenen Rechtszustand auch das Heilpraktiker-Gesetzt außer Kraft gesetzt.

Somit wurde das alte, strenge Kurpfuscherverbot wiederhergestellt und die nichtärztliche heilerische Tätigkeit unter Strafe gestellt.


Der Heilpraktiker in der neu entstandenen BRD

Mit Übernahme des Heilpraktikergesetzes aus der alten Reichsgesetzgebung trat auch § 4 HP-Gesetzt in Kraft. Dieser verbietet unter Strafandrohung, Ausbildungsstätten für Personen, welche sich der Ausübung der Heilkunde im Sinne dieses Gesetzes widmen wollen, einzurichten oder zu unterhalten. Auf Grund dieser Bestimmung wurden 1939 alle HP-Schulen geschlossen und durften auch seitdem nicht mehr eröffnet werden.

Während der alliierte Kontrollrat nur die Gesetzgebung auf national-sozialistischen Inhalt hin überprüfte, mußte am 1. September 1948 der parlamentarische Rat darüber entscheiden, ob die übernommenen Rahmengesetze mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Der § 4 des Heilpraktiker-Gesetzes verstößt gegen Artikel 7 Absatz 4 des GG: Das Recht zur Einrichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Weiterhin ist er unvereinbar mit Artikel 12, I GG, dem Recht auf Freiheit der Wahl der Ausbildungstätte, sowie mit Artikel 2 und Artikel 5, III GG, dem Grundrecht der Freiheit der Wissenschaft, Forschung und Lehre.

Auf einer Geltendmachung des Grundgesetztes entstehen ab 1948 HP-Ausbildungsstätten.

Erst am 24. Januar 1957 wird die Tätigkeit des Heilpraktikers durch einen Richterspruch des Bundesverwaltungsgerichtes als Beruf anerkannt. Mit dieser Anerkennung steht auch der Nachwuchsausbildung offiziell nichts mehr im Weg.


Literatur beim Verfasser

Peter Germann
Heilpraktiker
Köln-Berliner Straße 9
44287 Dortmund


Karlsruhe 1999:

Erfolgreicher Kongreß

Wie schon seit Jahren fand auch in diesem Jahr die Großveranstaltung der deutschen Heilpraktiker in Karlsruhe statt. Über 4000 Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker besuchten den Karlsruher Kongreß mit seinem reichhaltigen Fachprogramm und der großen Industrieausstellung von über 250 Ausstellungsständen. Die Organisation lag dieses Mal in den bewährten Händen des VDH-Teams mit seinem Präsidenten Ekkehard S. Scharnick. So konnte denn Präsident Scharnick auch am Samstag morgen zur Eröffnung in einem sich ständig weiter füllenden Kongreßsaal die zahlreichen Besucher begrüßen.

In seiner Rede ging der Präsident auf die Probleme ein, die den Berufsstand zur Zeit bedrücken. Wie schon seit Jahren zählt zu diesen Problemen die Arzneimittelgesetzgebung, deren 10. Novelle die Nachzulassung - besonders der Naturheilmittel - weiter negativ beeinflussen wird. Scharnick beklagte die Divergenz, daß der Berufsstand einerseits wünschenswerte Leistungen für das Gesundheitswesen erbringt, die dieses nicht unerheblich entlasten, und daß man andererseits die arzneilichen Möglichkeiten der Heilpraktiker immer weiter einschränkt. Dabei erinnerte er an die ursprunglich völlig andere Absicht unseres neuen Arzneimittelgesetzes:

"Bei der Einführung des Arzneimittelgesetzes von 1976 war die Pluralität des Gesundheitswesens ausdrücklich gewünscht. Mehrere Therapierichtungen , die von unterschiedlichen theoretischen und wissenschaftlichen Methoden ausgingen, sollten nebeneinander bestehen können und bleiben.

Eine der Zielsetzungen war, daß auch das teilweise jahrhundertealte Erfahrungswissen der besonderen Heilweisen - die Homöopathie, die antroposophische Medizin und die Phytotherapie - als besondere Therapierichrungen anerkannt werden sollten. Dies war eine der großen Stärken unseres deutschen Gesundheitswesens ? Doch was ist davon geblieben ?", fragte der Präsident.

Anschließend geißelte Präsident Scharnick die Positivliste als planwirtschaftliche Maßnahme, die unser auf Freiheit gegründetes Gesundheitswesen weiter beschränken und einengen würde.

Trotz dieser Negavvorzeichen rief der Präsident dazu auf, in Berufsstand und Verbänden die Aus- undFortbildung weiter zu verbessern und die Qualitätsstandards kontinuierlich anzuheben. Der Schluß war ein anrührender Aufruf: "Unser so schöner Heilpraktikerberuf ist eine Berufung. Und wer ihr nicht mit ganzem Einsatz und aus vollem Herzen dient und bereit ist, ständig seinen Horizont zu erweitern und mit zu wachsen in dieser Berufung, wird scheitern. Das Wort Therapie kommt aus dem Griechischen "qerapeia", was soviel heißt wie: Die Arbeit der Götter tun. Öffnen wir uns, um weitergeben zu können!"

Anschließend bat der Präsident zu den Politiker-Grußworten. Zuerst sprach die Gesundheitpolitikerin Monika Knoche von Bündnis 90/Die Grünen. Freilich lobte sie die Positivliste und zeigte sich erfreut, daß auch die Naturheilmittel mit in die Positivliste aufgenommen werden sollen. Das hörte sich freilich gut und pluralistisch an, aber ob sie wohl ahnt, wie die Auswirkungen in der praktischen Umsetzung sein werden, wenn eine Kommission auswählt und vor allen Dingen aussortiert. Hier verkehren sich die Dinge meist ins Gegenteil.

Jemand der damit so seine Erfahrungen gemacht hat als langjähriger und erprobter Gesundheitspolitiker und Vorsitzender des Bundestagsgesundheitsausschuß, der auch stets ein offenes Ohr für die belange der Naturheilkunde hatte, nämlich Dr. Dieter Thomae, kam anschließend zu Wort.

Wegen des Grundsatzcharakters seiner Rede, möchten wir diese als ganze veröffentlichen:

Ansprache Dr. Dieter Thomae
Seit Jahren sprechen alle Umfragen vom hohen Stellenwert der Naturheilmittel und vom anhaltenden Trend, dass immer mehr Menschen sich den natürlichen Methoden zuwenden.

Die moderne Medizin betrachtet den Menschen als Maschine, als Uhrwerk, das durch Zerlegen in seine kleinsten Teile verstanden werden kann und verliert gerne aus den Augen, dass der Patient ein menschliches Wesen ist, das in eine natürliche und soziale Umwelt eingebettet ist. Die Bürger wollen aber als Ganzheit begriffen und so behandelt werden. Die Heilpraktiker haben diese Bedürfnisse des Menschen stets in ihre Heilkunde einbezogen und damit eine Lücke in der medizinischen Versorgung geschlossen. Sie haben sich stets als Förderer und Bewahrer des Volks- und Erfahrungsheilkundlichen Schatzes und der Naturheilkunde verstanden. Die Liberalen haben sich stets für ein freiheitliches Gesundheitswesen eingesetzt.

Die Zeit der Spekulationen ist vorbei. Wir wissen mittlerweile genau, wie sich Rotgrün das zukünftige Gesundheitswesen vorstellt. Sie setzt auf staatliche Regulierung und Budgets, auf Bevormundung und starre Vorgaben. Daran ändert auch die Formulierung wohlklingender Ziele nichts, die durch die konkret vorgesehenen Maßnahmen in ihr Gegenteil verkehrt werden. Bei näherem Hinsehen ist das Reformpaket eine Mogelpackung.

Wir lehnen die Globalbudgetierung ab, da sie in die Rationierung von Gesundheitsleistungen führt.

Ich möchte jetzt einige wichtige Punkte ansprechen, die ihren Berufsstand direkt tangieren:
1. Gesundheitsministerkonferenz
Die Konferenz der für das Gesundheitswesen zuständigen Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren der Bundesländer (Gesundheitsministerkonferenz - GMK) hat sich nun seit mehreren Sitzungen mit dem Thema "Qualitätssicherung" beschäftigt und für den Bereich der Heilpraktiker zur Verbesserung des Verbraucherschutzes eine Qualitätssicherung und mehr Transparenz gefordert. Auch wenn der Beschluss, der für Heilpraktiker zu einer ernsthaften Bedrohung hätte werden können, nämlich "die Unkonventionellen medizinischen Methoden auf die wissenschaftlich gebildete Ärzteschaft zu beschränken" nicht so gefasst wurde, so ist doch nicht zu übersehen, dass auch in ihrem Bereich ernsthaft darüber nachgedacht wird, wie verbindliche Standards und Qualitätsnormen verwirklicht werden können.

Nach dem Willen der Gesundheitsministerkonferenz sollen auch in den Ausbildungs- und Weiterbildungs- sowie den Fortbildungsregelungen für alle Berufsgruppen des Gesundheitswesens Themen des Qualitätsmanagements Eingang finden.

2. Ausbildung
Wir Liberalen begrüßen dabei allerdings besonders, dass die Heilpraktikerschaft insgesamt mit der dreijährigen Ausbildung in ihren Verbandsschulen höhere private Standards und damit die Eigenverantwortung eher hoch gesetzt haben. Denn immer wieder wird auch an uns die Argumentation herangetragen, dass jeder Schüler, Student, Facharbeiter oder Meister sein Wissen und Können unter Beweis stellen muss. Aber gerade in einem Beruf, der auf einem Gebiet tätig ist, das für Menschen den höchsten Stellenwert hat, nämlich der Gesundheit, kann jeder sich der Therapie zuwenden, die er nach seiner Einschätzung beherrscht. Ich meine, auch in der Heilpraktikerschaft ist eine gewisse Professionalisierung des Ausbildungskonzeptes und der Berufsausübung notwendig (geworden).

Ich möchte noch ein Thema kurz anreißen:
Auch wenn das Heilpraktikergesetz eine gewisse "Abgrenzung" gegen Scharlatane und Kurpfuscher bietet, sollten Sie, gerade wenn Sie auch die Diskussionen um die "sogenannten Sekten und Psychogruppen" verfolgt haben, die eingeschränkten Zulassungen unter dem Heilpraktikergesetz von anderen Berufsgruppen beobachtet haben, auch die Aspekte nicht außer acht lassen, dass das Heilpraktikergesetz keineswegs irgendeine "Berufsstandsicherung" bietet.

Und Sie sollten dafür sorgen, dass es nicht Einzelnen immer wieder gelingt, Ihren Berufsstand in Misskredit zu bringen, wenn sie versuchen, die Welt glauben zu machen, mit obskuren Methoden alles und jeden heilen zu können oder sich in Bereiche vorwagt, die zwar dem Gesetz nach dem Heilpraktiker nicht verboten sind, aber aus ethischen und moralischen Gründen unterbleiben sollten. Gleiches gilt für die Anwendung einer verantwortungsvollen Honorargestaltung. Dies setzt innerhalb ihres Berufsstandes eine Qualitätssicherung voraus, die sie über alle Verbände und Gruppierungen erreichen müssen.

3. Arzneimittelbereich
Die Gefahren, die mit den Arzneimittelrichtlinien aus Brüssel aufgetaucht waren, sind zwar zur Zeit vom Tisch, aber doch nur in Form einer "Protokollerklärung". In diesem Bereich könnten Sie sich vielleicht noch beruhigt zurücklehnen, denn für viele die Heilpraktiker tangierenden Probleme haben Sie Mitstreiter in den Reihen der pharmazeutischen Industrie oder naturheilkundlich arbeitenden Ärzte, die von einschneidenden Maßnahmen ähnlich betroffen wären. Zu den Instrumenten einer dirigistischen Kostendämpfung gehört ohne jeden Zweifel auch eine Positivliste. Hierfür gibt es im europäischen Ausland zahlreiche Beispiele. Im Ergebnis bedeuten solche Marktbeschneidungen auf in der Regel kaum mehr als vielleicht 2000 bis 3000 Medikamente kaum Sinnvolles.

Die Verfechter von Positivlisten behaupten immer wieder, solche Marktbeschneidungen würden kostendämpfend wirken. Dafür - und das möchte ich mit Nachdruck feststellen - gibt es keinen Beweis. Wenn die Auswahl kleiner wird, dann werden doch nicht weniger Medikamente eingenommen. Genommen werden noch nur andere Medikamente, und die sind manchmal auch noch teurer als das, was man aus dem Markt gestrichen hat. Positivlisten sind aber auch medizinisch kaum zu verantworten. Denn in letzter Konsequenz bedeuten sie Therapiestandards. Aber den Standardpatienten gibt es nicht. Und deshalb wollen wir auch keine Standardmedizin. Sondern es gehört zu den hohen Leistungsgaranten unseres Gesundheitswesens, dass die Medizin den individuellen Bedürfnissen des einzelnen Patienten Rechnung tragen kann. Wenn Ärzte bestimmte Arzneimittel verordnen, dann doch in aller Regel, weil sie mit der medikamentösen Therapie durch diese Arzneimittel gute Erfahrungen gemacht haben. Von diesen guten Erfahrungen würden sie und auch ihre Patienten mit einer Positivliste faktisch abgeschnitten.

Auch wenn in der Positivliste im Anhang gewisse Naturheilmittel aufgeführt werden, ist dies kein akzeptabler Lösungsansatz. Jede Positivliste zerstört die Therapiefreiheit.

Welche Auswirkungen die "Positivliste" haben wird, die nun wieder auf dem Tisch ist, vermag man zur Zeit nur abzuschätzen. Ganz sicher stellt sie aber eine Gefahr für die naturheilkundlichen Arzneimittel dar, ebenso wie die in der Beratung befindliche zehnte Novelle zum Arzneimittelgesetz, mit der ja den Beanstandungen aus der Europäischen Union zur in Deutschland geltenden "Nachzulassung" Rechnung getragen werden soll. Wenn auch die meisten der vorgesehenen Anpassungen die pharmazeutischen Unternehmen betreffen, werden doch die erheblichen Fristverkürzungen und die erheblichen Verschärfungen der Anforderungen dazu führen, dass einige der "traditionellen Arzneimittel", diese "Marktbereinigung" nicht überleben. Auch wird die Bestimmung, dass fiktiv zugelassene Arzneimittel als "vorläufig zugelassen" gekennzeichnet sein müssen, sicher eher zu einer Verunsicherung der Verbraucher und damit zu einer eher nachlassenden Akzeptanz dieser Mittel führen. In diesem Bereich ist in der Beratung noch viel zu tun.

Sie erkennen, es gibt für Ihre Berufsverbände sowohl auf europäischer als auch auf der deutschen Ebene noch viel zu tun. Vieles haben Ihre Berufsverbände in der Vergangenheit erreicht, für die Zukunft wünsche ich Ihnen allen eine geschickte Verhandlungsführung.


Zahnarzt und Ganzheitliche Medizin

Seit dem öffentlich ausgetragenen Amalgamkrieg von 1988 haben Zahnärzte zu ihrer Tätigkeit immer mehr im Sinne einer ganzheitlichen Medizin, Homöopathie und insbesondere "Entgiftungstherapien" bei sogenannten Amalgamsanierungen durchgeführt. Es entstand dabei der Eindruck, dass nur Zahnärzte chronische Intoxikationen durch Amalgam behandeln dürften. Ein neuer Berufszweig "ZahnArzt für Naturheilverfahren" sollte entstehen. Die Bundeszahnärztekammer als oberste standespolitische Organisation hatte dieser Wandlung nie zugestimmt. Ein approbierter Zahnarzt begehrte nun auf gerichtlichem Wege "nach Überprüfung der Aktenlage" ganzheiltich naturheilkundliche Therapien auszuführen.

Eine Klage beim Verwaltungsgericht Düsseldorf 1996 hatte bereits keinen Erfolg, Klage und Berufung hatten auch beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen keinen Erfolg. Das Urteil vom 13.08.1998 unter dem Az: 13 A 1781/96 bestätigt, dass ein Zahnarzt zur Ausübung der ganzkörperlichen Behandlung die Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz, HPG, bedarf. Eine Erteilung der Erlaubnis nach dem HPG liegt aber nicht im Ermessen gerichtlicher Behörden, auch nicht eine Erteilung nach Aktenlage. Auch eine eingeschränkte Erteilung zur Ausübung der Heilkunde kann nicht erteilt werden. Die unterschiedliche Ausbildung von Ärzten und Zahnärzten berechtigt auch nicht dazu, dass ein Zahnarzt gleichzeitig die ärztliche Tätigkeit nach der Approbationsordnung durchführen kann. Dies betrifft z.B. auch eine beabsichtigte Symbiosebehandlung des Darms bei Parodontosebehandlung. Dieses Urteil als Präzedenzfall brachte eine Klarstellung der Unterschiede der Ausübung der Heilkunde nach der Approbationsordnung der Ärzte und Zahnärzte und dem Heilpraktikergesetz. Die Berufsordnung der Zahnärzte aber erlaubt einem Zahnarzt nicht, gleichzeitig als Zahnarzt und Heilpraktiker tätig zu sein, auch wenn ein Zahnarzt die Prüfung nach dem HPG abgelegt hat. Somit kann über den Gerichtsweg das HPG zur Erreichung der Ausübung der Heilkunde nicht umgangen und/oder ausgehebelt werden.

Zwei kurze und jüngst eingetretene Beispiele sollen hier mögliche gesundheitliche Konsequenzen zahnheilkundlicher Allgemeinbehandlung insbesondere bei Amalgamsanierungen aufzeigen:
1. Eine Frau, 34 Jahre, völlige Atemnot, Herzrasen, grosse Schwäche bis zur Stimmlosigkeit wurde als Notfall angemeldet.
Schulmedizinisch diagnostizierte man eine Allergie, Cortison aber lehnte die Frau ab. Anamnestisch wurde angegeben, dass vor ca 2 Monaten ein eitriger Amalgamzahn im Unterkiefer extrahiert wurde, anschließen wurde bei den anderen Zähnen Amalgam gegen Kunststoff ausgewechselt. Danach wurde die Wohnung renoviert, eine körperliche Belastung. Bereits vor 1 und 2 Jahren war jedesmal nach einer Zahnextraktion der gleiche Zustand eingetreten, nur etwas milder. Es zeigte sich eine Atemlähmung mit bereits großer Schwäche, Zeichen einer akuten Endo-Myocarditis. Homöopathisch war die Atemlähmung nach 3 Tagen wesentlich gebessert, auch die Lungenfunktionsdiagnostik beim Arzt war wieder überraschend gut. Etwa 3/4 Jahr dauerte die Regeneration und Stabilisierung des Allgemeinbefindens, dann erst konnten von einem Zahnarzt etliche weiteren Zähne mit terminlicher Absprche a Block im Sinne einer Giftquellenbeseitigung einer chronischen Arzneimittelintoxikation durch Amalgam extrahiert werden, ohne dass bei gezielter allgemeiner begleitender Behandlung nochmals Komplikationen auftraten. Kurz vor dem letzten Extraktionstermin wurde ein 24-Stunden-EKG und -Blutdruck beim Kardiologen angefertigt. Es zeigte innerhalb 24 Stunden 407 monotope ventiduläre Extrasystolen, erhebliche Blutdruckschwankungen und anfallsweise Tachycardien. Bakterielle Untersuchungen aus allen Zahnalveolen direkt nach den Extraktionen zeigten überwiegend vergrünende Streptokokken +++, also Eiterbakterien, histologisch zeigte der Knochen verschiedene chronische Umbauprozesse. Es wird noch eine längere Zeit dauern, bis sich der Gesundheitszustand und die neu gewonnene Lebensqualität stabilisiert hat.

2. Eine Frau, 39 Jahre, selbst im medizinischen Beruf tätig, hatte vom Zahnarzt nach Austestung zur Vorbereitung einer sogenannten zahnärztlichen Amalgamsanierung eine Vielzahl von Nosoden und andere naturheilkundliche Mittel eingenommen. Amalgam war noch vorhanden und sollte mit aufwendigen Goldrestaurationen ersetzt werden. Anamnestisch konnten die akuten Beschwerden wie Erschöpfung, Rückenschmerzen, Darmprobleme, Spannungen im Kieferbereich, innerer Unruhe als Arzneimittelprüfung vorwiegend der vielen Nosoden diagnostiziert werden. Anamnestisch wurde auch eine länger bestehende Candida-Pilzinfektion angegeben. Nach Abklingen des akuten Zustandes und Stabilisierung des Allgemeinbefindens wurden entgegen Vorstellungen verschiedener Zahnärzte von einem Zahnarzt doch vor allem die Amalgamzähne mit Terminabsprachen und gleichzeitig begleitender allgemeinmedizinischer Behandlung extrahiert. Auch hier fanden sich nach den Zahnextraktionen aus den Alveolen bakteriologisch vergrünende Streptokokken, unter einem Zahn Candida, apathogene Neisserien aber +++, also schon pathologisch wirkend mit Gefahr auf Meningitis, Nephritis, Endo-Myocarditis, Pseudomonas aeruginosa. Histologisch zeigte hier der Kieferknochen entzündliche, bis zur Osteomyelitis reichende und chronisch entzündliche Veränderungen, alte Umbauprozesse. Nach dem ersten Extraktionstermin trat als Reaktion eine akute Endo-Myocarditis ein. Zwischenzeitlich fühlt sich die Frau wieder gut, selbst die eingeschränkte Halssteifigkeit mit radiologisch gesichertem Befund und die Rückenbeschwerden haben sich nach jedem Extraktionstermin immer mehr gebessert. Zur Stabilisierung dauert es noch einige Zeit, die Arbeitsfähigkeit, Arbeitslust und Belastung wird in einer ganz neuen ungewohnten Weise mit Freude erlebt, man kann sich an die frühere Situation schon fast nicht mehr erinnern.

In beiden Fällen wirkte die begonnene zahnärztliche Behandlung einer Amalgamsanierung wie ein Stich in ein schlafendes Wespennest und dies ist nicht selten.

Durch das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes wäre es wünschenswert, wenn jeder Heilkundige seine Arbeit, sein Aufgabengebiet nach bestem Wissen und Fortbildung exakt durchführt und letztlich zum Wohle des Patienten bereit ist, bei notwendigen begleitenden Mitbehandlungen anderer Berufszweige mehr miteinander arbeitet.

Umfassendes allgemeinmedizinisches Wissen ist für jeden Therapeuten wichtig, auch um gesundheitliche Probleme eines Patienten besser verstehen zu können. Das bedeutet aber sicher noch nicht, dass man deshalb auch schon einen anderen Beruf mit ausüben kann. Das Sprichwort bestätigt sich immer wieder: "Schuster bleib bei deinem Leisten".


Helmtrud Harnack

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Naturheilpraxis 08/99