POLITIK

Immer Ärger mit den Titeln?

Oder: der Heilpraktiker als Psychotherapeut bzw. der Psychotherapeut als Heilpraktiker

von Hubert Donhauser

Wieviele Titel braucht der Mensch als Heilpraktiker? Eine nicht ganz ernst zunehmende Frage, aber keineswegs ohne ein Körnchen Wahrheit. Wichtiger wäre es allerdings nachzuspüren und klarzustellen, welche Bezeichnungen er überhaupt führen darf. Gerade in der letzten Zeit - vielleicht verstärkt seit Verabschiedung des Psychotherapeutengesetzes - hört und spürt man immer wieder Unsicherheit und Unmut über Teile dieser neu verabschiedeten Verordnung, vor allem was die Benützung verschiedener Tätigkeits- und letztendlich Berufsbezeichnungen anbelangt. Aber nun der Reihe nach: Wer in medizinisch ganzheitlicher Form Patienten behandelt, benötigt neben dem allgemeinen heilkundlichen Know How auch Wissen und Erfahrung in der Diagnostik und Therapie von seelischen bzw. psychischen Erkrankungen. Dies nicht nur alleine wegen der Unterstützung und Begleitung während Krankheiten und Phasen verminderter Lebensqualität bei Patienten, sondern auch anläßlich der Ursachenerforschung relevanter pathologischer Zustände.

Natürlich muß in diesem Zusammenhang eines betont werden: Keineswegs ist es so, daß jegliche Art der Psychotherapie unter die Prämisse "Ausübung der Heilkunde" fällt, die ja nur dem approbiertem Arzt bzw. zugelassenem Heilpraktiker per Gesetz zugestanden wird ( 1 ). Man denke in diesem Zusammenhang nur einmal an besondere Formen der Lebensbewältigungshilfe (z. B. bei Konfliktsituationen) oder der Verarbeitung und Überwindung sozialer Spannungen und Auseinandersetzungen (z. B. bei Beziehungsproblematiken). ( 2 ) Das heißt, die übliche Assoziation bezüglich psychotherapeutischer Verfahren geht im Prinzip weit über die Grenzen therapeutischen Geschehens hinaus. Als besonderes greifbares Beispiel sei hier die pädagogische Psychotherapie genannt, welche sich speziell um die Behandlung der nicht krankhaften Lernproblematiken bzw. Lernschwä- chen bemüht.

Somit kann es in einzelnen Fällen überaus schwierig sein zu entscheiden, ob u. U. eine Tangierung des Heilpraktikergesetzes vorliegt, wenn psychotherapeutische Verfahren angewendet werden, die sowohl in klassisch therapeutischem Sinne als auch bei der möglichen Aufarbeitung - im Form von Beratung - bei Lebenskrisen angewendet werden können.

Es kommt hier zu einem absoluten Verwischen von Grenzen und Kompetenzen, der "Graubereich" ist riesig und für den Patienten bzw. Klienten nicht immer überschaubar zu seinem Vorteil ausgerichtet.

Um eine gewisse Hilfestellung in dieser Entscheidungssituation zu geben, hat das BGH die Idee der "Eindruckstheorie" ins Leben gerufen.

Danach ist Heilkunde "jedes Tun, das bei den Behandelten den Eindruck erweckt, es ziele darauf ab, sie von Krankheit, Leiden oder Körperschäden zu heilen oder ihnen Erleichterung zu verschaffen. Das kann auch dadurch geschehen, daß angebliche übernatürliche Gewalten mit vermeindlichen oder vorgetäuschten übersinnlichen Kräften bekämpft werden". ( 3 )

Als weitere Beispiele seien hier auch "Besprechungen" bzw. "Handauflegen" genannt, wenn sie bei der Behandlung von Krankheiten eingesetzt und verwendet werden - diese Verfahren gelten dann - nach der genannten "Eindruckstheorie" - als Ausübung der Heilkunde. ( 4 )

Um eine exakte Unterscheidung zwischen therapeutischen und nichttherapeutischen Tätigkeiten erhalten zu können, genügt teilweise - nach gängiger, neuerer Rechtssprechung - auch der ursprüngliche Heilkundebegriff.

Hierbei werden sogar die dem esoterischen Bereich zuzuordnenden "Wunderheilungen" jeglicher Couleur den Aussagen und Bestimmungen des Heilpraktikergesetzes untergeordnet. ( 5 )

Warum, fragt man sich, wird dieser Entscheidungsaufwand eigentlich derart betrieben? Sinnvoll erscheint das gesamte Vorgehen vor allem bezogen auf die Absicht des Gesetzgebers, die Bevölkerung vor "Scharlatanen" und "Kurpfuschern" schützen zu können. Das in diesem Sinne zu Grunde gelegte Heilpraktikergesetz weist so gesehen einen unverkennbaren Vorteil auf: Es möchte auf der einen Seite alle gängigen und möglichen Formen und Arten der nichtärztlichen Ausübung von Diagnostik und Therapie unter einen Hut bringen, allerdings andererseits gleichzeitig die - bezogen auf die Prämisse der Neutralität - bestehende Methodenfreiheit keinesfalls tangieren.

Genau jenes o. g. Gesetz wiederum verlangt allerdings von allen nicht approbierten Behandlern, daß sie sich auf die einheitliche Berufsbezeichnung "Heilpraktiker" verständigen - egal mit welchem diagnostischen bzw. therapeutischen Gebiet sie sich beschäftigen. Juristisch streng genommen besteht eine Führungspflicht gegenüber diesem Titel, gerade dann, wenn die nichtärztliche Ausübung der Heilkunde eine auf Dauer angelegte Beschäftigung ("Praxistätigkeit") im weitesten Sinne darstellt. ( 6 )

Anstelle des vorgeschriebenen Heilpraktikertitels darf somit keine andere Berufsbezeichnung geführt werden - auch um das Thema "Arztähnlichkeit" ausschließen zu können. Jedoch können Zusatzbezeichnungen genannt werden, welche auf spezielle Diagnose- bzw. Therapieschwerpunkte hinweisen. ( 7 )

Auch hierbei ist zu beachten, daß es keine Verwechslungen zu anderen, geschützten Berufsbezeichnungen gibt ( 8 ) und weiterhin nicht gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen wird. Folglich ist als Ergänzung zur Berufsbezeichnung "Heilpraktiker" nur die Angabe des sachlichen Fachgebietes gestattet (z. B. Homöopathie), nicht der personale Titel dazu (z. B. Homöopath).

Ähnlich verhält es sich mit der Bezeichnung "Psychotherapie" bzw. "Psychotherapeut" bezogen auf die Tätigkeit des Heilpraktikers. Dieser darf selbstverständlich seine Patienten - im ganzheitlichen Sinne - bezüglich seelischer Erkrankungen behandeln, sofern er das Wissen und die Kompetenz dazu hat ("Sorgfaltspflicht"), jedoch ist es ihm untersagt eine andere Form als Zusatzbezeichnung zu verwenden, wie eben den sachlichen Tätigkeitsausdruck.

Schwierig wird es natürlich für den Personenkreis, welcher selbständig der Psychotherapie im Sinne einer Ausübung der Heilkunde nachgeht, ohne als Arzt "bestallt" zu sein bzw. nicht im Besitz der Heilpraktikerzulassung ist.

Die Behandlung von psychosomatischen und/oder seelischen Erkrankungen verlangt beim Patienten eine umfangreiche Diagnostik und Abklärung, deshalb bedürfen sogar auf diesem Gebiet tätige Diplom-Psychologen - falls sie nicht als Psychologische Psychotherapeuten, Jugend- oder Kindertherapeuten approbiert sind bzw. eine Erlaubnis nach § 4 PsychThG besitzen - zumindest die auf das Gebiet der Psychotherapie beschränkte Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz. ( 9 )

Auch hier gibt es natürlich Ausnahmen, nämlich dann, wenn der Diplom-Psychologe erst nach der Diagnosestellung und auf Anweisung des Arztes tätig wird. Er steht dann unter permanenter ärztlicher Kontrolle und Weisungsbefugnis; d. h. an eine selbständige Tätigkeit im Sinne der Behandlung von Patienten ist hierbei im Prinzip nicht mehr zu denken.

Was eine Berufsbezeichnung für die Personen betrifft, welche die auf das Gebiet der heilkundlichen Psychotherapie beschränkten Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz besitzen, wird es allerdings um einiges diffiziler, denn eine eigene Tätigkeits- oder gar Berufsbezeichnung ist hier im strengen Sinne der Gesetzes- bzw. Rechtssprechung nicht klar vorgesehen.

Die Titel "Psychotherapeut" und/oder "Psychologischer Psychotherapeut" etc. sind dem Personenkreis laut Psychotherapeutengesetz vorbehalten. Auf der anderen Seite ist bei der eingeschränkten Überprüfung das Führen des Titels "Heilpraktiker" - auch wenn die Zusatzbezeichnung "Psychotherapie" mitvorhanden ist - mit Blick auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ebenso nicht ganz unproblematisch, denn gerade unter dieser Bezeichnung wird in der Öffentlichkeit der übliche, klassische Heilpraktiker verstanden, welcher eine umfassende, nicht restriktive Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz besitzt.
Da also die personale Tätigkeitsbezeichnung unzulässig ist, könnte man sich überlegen, evtl. mit der sachlichen Beschreibung einer Praxisintension den rechtlichen Rahmen zu wahren - z. B.: "Praxis für Psychologie (Psychotherapie) nach dem Heilpraktikergesetz". Eine noch allgemeinere Bezeichnung wäre "Praxis für psychologische Beratung", wobei in diesem Falle das Thema "Therapie" im medizinischen Sinne nicht direkt zum Ausdruck kommt

Eine spezielle, gefahrlos zu führende Berufsbezeichnung für diese Spezies des Heilpraktikertums, wurde anscheinend übersehen. Die berechtigte Frage nach Verhältnismäßigkeit und entsprechender Zumutbarkeit wird hier natürlich in den Raum gestellt.

Die Gefahr könnte bestehen, daß frei erfundene Titel und Berufsbezeichnungen auf dem Gebiet der Psychotherapie - gerade nach dem Heilpraktikergesetz - verstärkt auf den Markt kommen, die eine eigentlich angestrebte Übersichtlichkeit für Patienten und Klienten vermissen lassen könnten.

Anmerkungen: ( 1 ) vgl. Heilpraktikergesetz §1 / § 2
( 2 ) vgl. auch § 1 Abs. 3 S. 2 des Psychotherapeutengesetzes
( 3 ) BGH v. 13.9.1977 / NJW 1978, S. 599 - BGHSt 8,237 / NJW 1956, S. 313
( 4 ) vgl. die Urteile des VG Stade v. 27.4.1987 und des LG Berlin v. 14.5.1987
( 5 ) vgl. Urteil des OVG Münster v. 8.12.1997
( 6 ) vgl. Heilpraktikergesetz § 1 Abs. 3
( 7 ) vgl. z. B. BverwGE v. 21.5.1964 / OVG Münster v. 23.5.1956
( 8 ) vgl. § 132 a Abs. 1 und 2 StGB
( 9 ) vgl. Heilpraktikergesetz §1 Abs. 1

Anmerkung: Durch die neu geordnete rechtliche Situation, welche sich durch das Psychotherapeutengesetz ergibt, sind bzw. waren seitens der einzelnen Bundesländer allerdings Bestrebungen in der Diskussion, die eingeschränkte Überprüfung auf dem Gebiet der Psychotherapie wieder abzuschaffen, was sich allerdings seitens der juristischen Konstellation als nicht unproblematisch gestaltet. Z. B. hält Bayern an der alten Regelung kontinuierlich weiterhin fest.

Dr. Hubert Donhauser
Epernayerstr. 16
76275 Ettlingen


Prophylaxe als Gesundheitsreform - eine Anregung mit Gesundheitstips

von Nikolas Reichert

Inzwischen ist es zur lieben Gewohnheit geworden, Gesundheitsreformen als brisante und hochpolitische Entscheidungen einzustufen und natürlich sind sie Ergebnisse von pateipolitischer Willensbildung und Profilierung, die in einem Art Abgleich mit Interessengruppen (Lobby) diskutiert und umgesetzt werden. Dabei ist sicher das eigentliche Problem der Gesundheit der Menschen und deren Gesunderhaltung weitgehend aus dem Blickfeld der Betrachtung gerückt. Grundsätzliche Wahrheiten zu mehr Gesundheit und Gesunderhaltung müssen dem Kalkül und Zahlenspiel der Bezahlbarkeit des einmal eingeschlagenen Weges unseres Krankheitreparaturwesen weichen. Vielleicht sollte man sich nicht zu fein sein, wieder einmal an die eigentlichen Grundlagen für mehr Gesundheit zu erinnern. Gern drucken wir hier in den "politischen" Seiten den diesbezüglichen Beitrag von Heilpraktiker Nikolas Reichert ab.

Redaktion

Deutschland hat im Weltvergleich unbestritten eines der besten und freizügigsten Gesundheitssysteme. Es werden sowohl neueste medizinische Erkenntnisse umgesetzt und angewandt, als auch genügend Freiräume geschaffen, damit zeitabhängiger Wissenschafts-Dogmatismus weder zum Selbstzweck noch zur alleinigen Staatsdoktrin wird und die "per se" begrenzten menschlichen Erkenntnismöglichkeiten darüber hinaus nicht unnötig beschnitten werden. Davon profitiert auch unser Berufsstand, der zugleich für Vielfalt und Lebendigkeit im Gesundheitssystem sorgt.

Nun machen aber Reichtum und gesicherte Versorgung nicht zufrieden, sondern verwöhnt, bequem und anspruchsvoll; eine in bezug auf die Kostenentwicklung verhängnisvolle Eigenschaft, besonders weil sie in Deutschland in allen Politiker-, Fach- und Gesellschaftskreisen mit einem starken Selbstbedienungs-Egoismus kombiniert ist. Einige Tatsachen und Grundannahmen, die auch Bezug zur aktuellen Gesund-heitsreform haben, müssen richtig gewertet werden, sollen sie wirklich zielführend sein bei der gemeinsamen Pflichtaufgabe zur Kostendämpfung:

Krankenhäuser sind Kostentreiber Nr.1 und dies aufgrund von Fehlbelegungen, im internationalen Vergleich zu langen Liegezeiten und zu großzügiger OP-Indikationsstellung. Hinzu kommt der anonyme Verschwendungstrend, dem man sich als Beschäftigter im Krankenhausalltag kaum entziehen kann. Da werden Tageskosten eben sekundär und unwichtig, sie sind ja auch kaum bekannt und außerhalb des eigenen überschaubaren Verantwortungsbereiches.

Arztpraxen sind längst zu Wirtschaftsbetrieben geworden; daher hat die Ärzteschwemme auch nicht zu wünschenswerter patientenintensiverer Betreuung geführt ( viele Ärzte mit mehr Zeit bei kleineren Patientenzahlen), sondern die leistungspunktbetonte Schnellabfertigung noch verstärkt. Wer Patienten stundenlang warten läßt und ihnen nur Minuten widmet, kann niemals den Anspruch auf optimale Krankenversorgung erheben, entgegen allen Funktionärs-Statements auch nicht mit noch so großer Fachkompetenz. Gleichgültig welches Kassenbudget zur Verfügung steht, die Abrechnungen bleiben orientiert an den Leistungskatalogen und nicht am individuellen Patientenbedarf. Auch das finanzielle Gesamtaufkommen wird unter den Ärztegruppen nicht gerecht verteilt, wie sonst kann es neben den Großverdienern (Röntgenologen, Orthopäden, Zahnärzte) fach-, allgemein- oder landärztliche Minimaleinkommen mit Existenzproblemen geben, die allerdings eine überaus subjektive Anspruchsgröße bleiben.

Arzneimittelkosten haben ohne Frage eine immense Höhe erreicht. Mit einer Positivliste werden sie allerdings kaum gesenkt, denn schuld ist nicht die Arzneimittelvielfalt in Deutschland, die im übrigen zur wünschenswerten Therapiefreiheit gehört und bei medizinischer Kompetenz überhaupt kein Problem bereitet, sondern die übliche Verordnungspraxis und das Patienten-Anspruchsverhalten. Die am häufigsten in Apotheken abgegebenen Arzneimittel bleiben Schmerzmittel, Psychopharmaka und Antibiotika, die allesamt nie aus der Positivliste gestrichen werden. Diese drei Mittelgruppen werden in Milliardenbeträgen zu leichtfertig und viel zu oft rezeptiert - einmal aus Sicherheits- und Bequemlichkeitsgründen, wobei die meisten Antibiotika ihr therapeutisches Ziel verfehlen und nur zu weiterer bakterieller Resistenzentwicklung führen, zum anderen aus Unwissenheit anderer Alternativen, daher werden auch bei leichten Erkrankungen, beim Orthopäden oder bei Infekten in der Kinderheilkunde ständig Schmerzmittel verordnet. Psychotherapie als Kassenleistung und Ersatz für Psychopharmaka ist zu begrüßen, eine Kostenreduzierung ist so allerdings nicht zu erwarten, denn Mißbrauch durch zeitlich unbegrenzte Therapiesitzungen kommt dem Behandler genauso entgegen wie der Bequemlichkeit des Patienten, der zur Eigenverantwortung nicht bereit ist.

Verschwinden also gerade die biologischen Arzneimittel durch die Positivliste vom Markt oder aus der Erstattung, wird sich am Arzt-Patient-Vorgang dennoch nichts ändern: Ein Kranker wird bei der ärztlichen Konsultation wieder mit einem Rezept versorgt, auf dem jetzt ein womöglich teureres und angeblich wirksames Medikament steht. Noch ein Trugschluß: Wirksamkeit hat weniger etwas mit der Arzneiart zu tun als mit dem zielgenauen Einsatz, zu dem weite Fachkreise offensichtlich nicht befähigt sind! In Deutschland gibt es mehr Arzneimitteltote als Verkehrstote, eine betrübliche Tatsache, die fast ausschließlich zu Lasten positiv gelisteter Medikamente geht. Dies macht die Absurdität einer Positivliste genauso deutlich wie die Wichtigkeit einer Therapeuten-Verordnungskompetenz, die von Patientenseite leicht zu überprüfen ist, indem nach Inhaltsstoffen und Wirkungsweise der verordneten Präparate gefragt wird.

Solidarprinzip und gemeinsam getragene Unterstützung sozial schwacher Bevölkerungsgruppen sind grundsätzlich richtig und nicht anderen Ländervorbildern zu opfern - z.B. hat gerade das fortschrittliche Amerika ein absurd-teures, brutales und gegen sozial Schwache gerichtetes Gesundheitssystem. Dennoch darf der Solidargedanke natürlich nicht überstrapaziert und mißbraucht werden - auch dazu neigt man hierzulande. Im Ländervergleich die geringsten Arbeitszeiten und die höchsten Löhne, dazu auch noch hohe Krankenstände mit statistisch besonders auffälligen Montags- und Freitags-Krankmeldungen, für die es z.B. im Sozialstaat Schweden immer Lohnabzüge gibt, sind massive Kostentreiber und kein Aushängeschild arbeitsmarktpolitischer Qualität in Deutschland!

Patienten tragen nicht nur diesbezüglich eine große Mitverantwortung, die üblicherweise als völliges Tabuthema gehandelt wird (Motto: "Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker..."). Sie müssen in erheblichem Maß eigenverantwortlich beteiligt werden am Gesundheitssystem, das längst zu einem Krankheitssystem verkommen ist. Echte Krankheit soll zwar nicht bestraft werden, aber Gesundheit muß sich lohnen und belohnt werden. Das schafft man aber nicht mit hohen Krankenkassen-Beitragssätzen, die unabhängig von der Inanspruchnahme eingezogen und einbehalten werden.

Natürlich verspürt dann jeder die Neigung, sich durch "Aus-Zeiten" und ärztliche Kassenleistungen vermeintlich schadlos zu halten, andere tun es schließlich auch ohne Folgen. Ein Vorbild bieten die Privaten Krankenversicherungen, die Monatsbeiträge als Belohnung zurückerstatten, wenn keine Leistungen in Anspruch genommen wurden. Auch müssen Patienten über Krankheits-Folgekosten besser informiert werden.

Dazu gehören z.B. deutliche Preishinweise auf den Medikamenten, die als teure Großpackungen oft genug ungebraucht im Abfall landen - dies allerdings nicht immer zu Unrecht und meist aufgrund verfehlter Verordnungs- und Aufklärungsarbeit des Arztes. Natürlich hat jeder die Freiheit, seinen Supermarktkorb mit Schokolade, Schnaps und Zigaretten zu füllen, aber eben nicht das uneinge-schränkte Recht, auf Kosten der Solidargemeinschaft die bekannten Folgekrankheiten auszukurieren, die mit Übergewicht, Krebs, Suchtkrankheiten, Diabetes sowie Herz-Kreislauferkrankungen tatsächlich das Hauptproblem der westlichen übersättigten Welt sind. Ein einzelner wird kaum Einsicht und Motivation mitbringen, an diesen Zuständen etwas zu ändern.

Gesundheitsprophylaxe ist daher auch eine Gemeinschaftsaufgabe, die in Form von Kampagnen, Aufklärung und Werbung ganz erheblich zu verstärken ist. Die Kostenlawine wird einzig und allein durch den Gesundheitsstand der Bevölkerung in den Griff zu bekommen sein. Bestes Beispiel ist die Zahnmedizin, die viel zu spät bei uns gelernt hat, daß rechtzeitige Prophylaxe spätere Folgekrankheiten wie Karies, Paradentose und Zahnverlust verzögern und verhindern kann. Wenn dadurch Zahnbehandlungskosten und der Bedarf an Zahnärzten reduziert werden, ist dies der richtige Weg!

Heilpraktiker sind von jeher Befürworter, Wegbereiter und kompetente Ansprechpartner in bezug auf solche Prophylaxemaßnahmen. Ohne Kassenzulassung sind sie außerdem Kostensenker im Solidar- Gesundheitssystem, das längst aus den Fugen brechen würde, wenn Patienten ihre Besuche zusätzlich auf Kassenärzte verlegen müßten. Zeitaufwendige Beratungen, in denen auch wichtige anamnestische Fakten eruiert werden -Dinge, die bei ärztlicher Schnellabfertigung immer durch die Maschen fallen- in Verbindung mit der eigenen Kostenbeteiligung für Heilpraktiker-Leistungen und Medikamente fördern erheblich die Motivation zur eigenverantwortlichen Gesundheitsprophylaxe.

Bei einer stabilen Gesundheitslage der Durchschnittsbevölkerung kann dann auch der steigende, natürlicherweise mit mehr Krankheiten einhergehende Altersgipfel über das Solidarprinzip und in Verantwortung für sozial Schwache finanziert werden. Gesundheitstips, die allen Menschen empfohlen oder auferlegt werden können, sollen im folgenden genannt werden. Sie führen bei regelmäßiger Beachtung und Anwendung zu einem deutlichen Gesundheitsgewinn, besserer Leistungsfähigkeit und subjektivem Wohlbefinden! Auch und gerade so kann ein jeder seinen Teil zu einer Kostensenkung beitragen.

I.Ernährung

Allgemein wird heutzutage zu viel, zu süß, zu fett, ballaststoffarm und im Übermaß tierisches Eiweiß gegessen. Ein hoher Prozentanteil der Bevölkerung ist übergewichtig, was mit dem Bodymaßindex kg : m2 schnell überprüft werden kann und ideal zwischen 20-25 liegt. Darüber beginnt Übergewicht, das am besten langsam und in kleinen Schritten abgebaut wird. Bei einem täglichen Kalorienbedarf von ca.2000 kcal muß jeden Tag auf die Hälfte verzichtet werden, sollen bis zu 2 kg pro Woche abgenommen werden. Dazu bedarf es keiner besonderen Diät, sondern eines starken Willens zum Verzichtenkönnen und der richtigen Nahrungswahl.

1.Kohlenhydrate: Als der größte Nahrungsanteil zu bevorzugen sind Kartoffeln, Gemüse und Obst sowie Vollkornprodukte ( Mehl: je höher die Typenzahl, desto besser). Sie enthalten lebenswichtige Vitamine und Mineralien, darüber hinaus Ballaststoffe -das sind unverdauliche Pflanzenanteile, die als Pektine, Kleie, Lein- und Flohsamen auch isoliert genutzt werden und Verdauung sowie Hungergefühl regulieren, cholesterinsenkend sind und vor bösartigen Darmerkrankungen schützen. Die einfachen Zuckerarten in Süßigkeiten, Kuchen und Limonaden verursachen dagegen nicht nur Karies und Vitalstoffmangel, sondern sind die schlimmsten Dickmacher, weil für solche Energieträger kaum aktive Stoffwechselarbeit geleistet werden muß. Sie strapazieren den Insulinhaushalt, der nach kurzer Sättigung wieder zur Eßsucht führt.

Kinder brauchen im Gegensatz zu Erwachsenen viele kalorische Kohlenhydrate in Form von Nudeln, Pizza sowie anderen Teig- und Kartoffelwaren, dagegen aber nur scheinbar Süßigkeiten. Ebenfalls Eiweiße sind für den Körperaufbau dringend notwendig, auch hier sollte man weniger restriktiv sein als beim Erwachsenenbedarf!

Kohlenhydrate sind allerdings auch die am kompliziertesten zu verdauenden Grundstoffe. Bei Magen-Darmstörungen und -beschwerden kann ein Übermaß verschlechternd auf Gärungs-/ Pilz-/ Blähungsprobleme wirken, eine Reduzierung dagegen selbst bei bestimmten Colitisformen deutliche Besserung bringen.

2.Eiweiß: Aminosäuren, die Eiweißbausteine, bezieht der Mensch aus pflanzlicher und tierischer Kost. Vegetarier, die vor den Fleischstoffwechselprodukten (z.B.Harnsäure) und den gesundheitlichen Risikofaktoren Arteriosklerose, Gicht, Blutfetterhöhungen und Hochdruck sogar weitgehend geschützt sind, können ihren Bedarf an Eiweiß, Eisen und Vitamin B12 zwar decken, brauchen aber grundsätzlich bessere Nahrungskenntnisse als Fleischesser. Diese sollten ihren Fleischverzehr insgesamt verringern, Masttierprodukte meiden und mehr Fisch (unbelastete Kaltwasser- und Hochseefische) essen, nicht zuletzt wegen der darin enthaltenen nützlichen Omega-Fettsäuren. Die alte Regel: "Einmal pro Woche Fisch und ein Sonntagsbraten" ist leider falschem Wohlstandsdenken zum Opfer gefallen. Gute Eiweiß- und Calciumlieferanten sind auch Milchprodukte, bei deren Vielfalt und vorausgesetzter Verträglichkeit (Allergie, Lactoseintoleranz) auf folgendes geachtet werden sollte: Sauermilchprodukte und Joghurt mit rechtsdrehender (L+)-Milchsäure und Bifidus-/Acidophilus-Kulturen sind gesünder und besser verträglich.

3.Fett: Der Anteil gesättigter und meist tierischer Fette ist angesichts heutiger Bewegungsarmut viel zu hoch. Gerade die versteckten Fette in Wurst- und Käsewaren sind unterschätzte Dickmacher und Ursache allgemein gestiegener Cholesterinwerte. Alternativ durch Magermilchprodukte (unter 3,5% Fett) und Geflügelfleisch kann auch ohne besondere Geschmacks- oder andere Einbußen sehr effektiv zur Gesundheitsprophylaxe beigetragen werden. Ungesättigte Fettsäuren in guten Pflanzenölen wie z.B. Sonnenblumenöl sind gesundheitlich ebenfalls nützlich, ja sogar lebensnotwendig, allerdings sollten solche Fette wegen ihrer Reaktionsfreudigkeit nicht zum Braten benutzt werden.

4.Flüssigkeit: Über das Durstgefühl wird uns ein elementarer Flüssigkeitsbedarf angezeigt - gerade auch Kinder haben diesbezüglich ein zuverlässiges Instinktverhalten, das durch frühzeitige Gewöhnung geschmacks- und zuckerunabhängig bleiben kann. Wegen der heutigen allgemeinen Schadstoffbelastung sollte jeder auf eine ausreichende Flüssigkeitsmenge ( tgl. mindestens 1,5 l) als Ausscheidungsvehikel achten, am besten in Form von Mineralwasser, nitratarmem Leitungswasser bzw. Tee oder zuckerfreien Säften. 5.Genußmittel: Gegen den mäßigen Konsum von Kaffee oder Alkohol ist nichts einzuwenden, solange Menge und Häufigkeit wirklich begrenzt bleiben. Rauchen allerdings ist in jeder Form und Menge schädlich. Es verursacht rund ein Drittel aller Krebsfälle, 95% aller Lungenkrebse und wie die anderen Risikofaktoren Bluthochdruck und Cholesterinerhöhungen auch einen Großteil der arteriosklerotischen Gefäßkrankheiten wie Herzinfarkt oder Schlaganfall usw.

Genuß- und Suchtmittel stimulieren grundsätzlich künstlich und nicht in physiologischem Sinne. Sie helfen daher auch nur scheinbar in Streßsituationen und stören als Nervengifte auf Dauer das Balancesystem unseres Körpers, das normalerweise perfekt aus Biorhythmus, lernabhängigen und hirntransmittergesteuerten Gehirnfunktionen und dem Auf- und Ab der vegetativen Vagus/ Sympathikus-Nervenanteile besteht.

II.Bewegungstraining

Geeignete sportliche Betätigung läßt sich für jedes Lebensalter und jeden Bedarf finden und ist ein absolutes "Muß"! Das regelmäßige Körpertraining (d.h.mindestens 3x pro Woche 15 Minuten) mit Pulsbeschleunigung (170 minus Alter) und Schwitzen garantiert auf Dauer gesundheitliche Stabilität mit Optimierung der Körperarbeit und Schutz für Herz-/Kreislauffunktionen. Idealerweise sollten Sportarten favorisiert werden, die zweierlei bewirken:

1.)Herz- und Ausdauertraining: Grundregel hier: Die Beine fassen das größte Blutvolumen und haben die am längsten ermüdungsfreien Muskeln. Joggen und Fahrrad-Ergometer haben daher auch die größten Effekte auf die herzvermittelte Blutzirkulation, während Rudergerät, Stepper oder Horseglider zu schnell ermüden oder viel zu wenig den Blutfluß stimulieren. Ein positiver Langzeiteffekt bei Ausdauersportarten ist auch die erzielte Entspannungsautomatik des Körpers, der in Streßsituationen sofort in Richtung Erholung und Beruhigung gegensteuert, so daß u.U. auf ein gesondertes Entspannungstrainig (III.) verzichtet werden kann.

2.) Beweglichkeitstraining: Stundenlange Fehlbelastungen und -haltungen bei der Arbeit, beim Sitzen oder Schlafen sind langfristig die größten Ursachen für Folgebeschwerden am Bewegungsapparat, die durch passive fach-therapeutische Eingriffe immer nur kurzfristig zu lindern oder zu beheben sind. Auch hier ist die Aktivität des Betroffenen gefordert, der rechtzeitig für Ausgleich und Stärkung der Muskelhaltefunktionen zu sorgen hat. Schwimmen, Gymnastik und Muskeltraining sind sehr sinnvoll, wobei Hauptaugenmerk auf folgende Körperteile gelegt werden sollte: Die Schulter-Nackenmuskulatur ist fast immer verspannt und muß gedehnt werden, während Bauch-, Gesäß- und untere Rücken-Muskeln ausgiebig trainiert werden müssen. Bizeps- oder Brustmuskelübungen sind z.B. relativ überflüssig, dagegen aber z.B. Expander, Liegestütze und Bauch- bzw. Rückentrainigsgeräte ideal und empfehlenswert. Wegen der besonderen Anfälligkeit ist eine aktive Rückenschule fast schon obligatorische Pflicht für jedermann!

III.Entspannungstraining

Streß und Dauerreize aus unserer Umgebung, die wir selten verhindern können, führen zu nervlicher Daueranspannung und Einbußen in der Immunabwehr, sofern nicht über Ventilfunktionen für Ausgleich gesorgt wird. In solchen Situationen ansteigender Konsum von Genuß-, Sucht- oder Beruhigungsmitteln schafft kaum Abhilfe. Sinnvoll ist aber das langfristige Trainieren sogenannter Entspannungstechniken, die schnell willentlich für vegetativen Ausgleich sorgen können. Geeignet sind z.B. Autogenes Training, Tiefmuskelentspannung nach Jacobson, Yoga, Biofeedback bzw. meditative Visualisierungstechniken. Überhaupt sind Übungen nützlich, die Körperzustände spüren und wahrnehmen lassen; diesbezüglich herrscht sowieso ein erhebliches Defizit an Vertrauen gegenüber Körperfunktionen vor.

IV.Abhärtung

Für Leistungsfähigkeit und starke Immunabwehr braucht der Körper ständige Übung seiner Organfunktionen und Gewöhnung an Wechselreize, hier vor allem die wechselwarmen Wasseranwendungen durch Kneipp-Wassertreten, Güsse oder wenigstens tägliches Kaltabduschen der Beine und Arme, das auch ein sehr gutes Gefäßtraining darstellt. Regel dazu: Rechts-außen am Bein hoch und innen zurück, dann linkes Bein und Arme rechts / links das gleiche. Ebenfalls nützlich sind Bürstenmassagen, Saunabesuche, Spaziergänge auch bei widrigen Wetterverhältnissen und Schlafen in kühlen Räumen. Wer zusätzlich als Infektschutz die Möglichkeiten der biologischen Medizin nutzt, kann ohne weiteres auch Jahre ohne Erkältung bleiben!

Nikolas Reichert, Heilpraktiker
Beselerstr.90 , 25813 Husum
Fax 04841/82155


Anhörung zur 10. AMG-Novelle

Am 19.05.1999, fand die Anhörung zum Referentenentwurf der 10. AMG-Novelle im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) statt. Neben Vertretern des BMG, des Wirtschaftsministeriums und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) waren ca. 60 Repräsentanten u.a. der Arzneimittelindustrie, der Apotheker-, Ärzte- und Heilpraktikerschaft und der Krankenkassen anwesend.

In ihren Eingangsstatements lehnten viele Vertreter den Gesetzentwurf in seiner Gesamtheit ab, da wesentliche Teile des Entwurfs über die Beanstandungspunkte der EU-Kommission hinausgehen und die Arzneimittel-Hersteller einseitig teilweise existentiell belasten. Es drängte sich insgesamt der Eindruck auf, daß eine Marktbereinigung angestrebt werde. Offensichtlich sei die EU-Beanstandung willkommener Anlaß, viele formale Hürden und Klippen aufzubauen, um aus formalen Gründen möglichst viele Nachzulassungesversagungen zu rechtfertigen.

Die einzelnen Regelungsvorschläge wurden dann chronologisch diskutiert. Ein Schwerpunkt der Erörterung war die Festlegung der Mängelbeseitigungsfrist im Zulassungsverfahren bzw. ihre Verkürzung im Nachzulassungsverfahren sowie der Ausschluß der Möglichkeit, im Rechtsmittelverfahren Unterlagen nachzureichen. Einen weiteren Schwerpunkt bildete die Einschränkung der Änderungsmöglichkeiten nach § 29 Abs. 2a AMG bzw. die Streichung der Änderungsmöglichkeiten nach § 105 Abs. 3a Nummern 1-5 AMG.

Hierzu wurde deutlich gemacht, daß man diese Regelungen insgesamt für ungeeignet hält, das Nachzulassungsverfahren zu beschleunigen, solange nicht auch für die Behörden entsprechend kurze Bearbeitungsfristen verbindlich sind.

Das BfArM verteidigte diese Regelungen und sagte eine zügigere und koordiniertere Bearbeitung der Nachzulassungsanträge und eine verstärkte Nutzung der bestehenden Auflagenbefugnis zu. Insgesamt sagte das BMG zu, diese Fragen nochmals mit den zu beteiligenden Stellen zu diskutieren.

Im Hinblick auf das Einreichen der "ex-ante"-Unterlagen, schlugen die Verbände der Arzneimittel-Hersteller anstelle der einheitlichen kurzen Frist ein zeitlich gestaffeltes Verfahren nach dem Modell der Schweizer Gruppenrevision vor. Der Vorteil eines solchen Verfahrens wäre, daß die Unterlagen zum Zeitpunkt der Bearbeitung durch die Behörden aktuell und nicht schon wieder veraltet wären. Seitens des BfArM wird zu organisatorischen und inhaltlichen Fragen der ex-ante Unterlagen eine Bekanntmachung erarbeitet. Der BAH forderte, daß diese möglichst frühzeitig kommt und der Verband in die Diskussion der Entwurfsfassung eingebunden wird.

Eine Überprüfung sagte das BMG auch im Hinblick auf die Kennzeichnung mit dem Hinweis "Vorläufig zugelassen" sowie bezüglich der Anpassung der Ausstattungsmaterialien der fiktiv zugelassenen Arzneimittel an die geltenden §§ 10 und 11 AMG zu. Als Kompromiß zu letzterem schlug der BAH vor, für die Anpassung an die §§ 10 und 11 AMG eine Übergangsfrist bis zum 31.12. 2001 im Gesetz vorzusehen und dem Handel einen unbegrenzten Abverkauf zu ermöglichen.

Kontrovers diskutiert wurde auch die vorgesehene Bezugnahme auf Zulassungen anderer EU-Mitgliedstaaten. Es erscheint fraglich, ob diese grundsätzlich begrüßenswerte Regelung durch die vorgesehenen restriktiven Voraussetzungen überhaupt einen beschleunigenden Effekt erbrächte.

Nachdrücklich plädierte z. B. der BAH darüber hinaus dafür, unbedingt die Verzichtsmöglichkeit mit zweijähriger Abverkaufsfrist einzuführen, da dies aus verfahrensökonomischen Gründen sinnvoll sei. Nach den Umfrageergebnissen würden die Mitgliedsfirmen bei ca. 20 % der noch in der Nachzulassung befindlichen Arzneimitteln von einer solchen Regelung Gebrauch machen würden. Auch diesbezüglich sagte das BMG eine Überprüfung zu.


Arzneimittelausgaben im 1. Quartal 1999 laufen davon

Gemäß einer Presseinformation der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Krankenkassen betragen die Ausgabensteigerungen für Arzneimittel im ersten Quartal 1999 bundesweit rund 17%, in einigen Bereichen weit über 20%. Nach Auffassung der Spitzenverbände entsprechen diese Ausgabensteigerungen nicht dem medizinisch notwendigen Versorgungsbedarf und sind daher rational nicht nachvollziehbar. Der Anstieg der Verordnungskosten beruhe im wesentlichen auf Struktureffekten, insbesondere würden hauptsächlich teurere Arzneimittel verordnet. Neben den Verordnungen bei "chronischen Zivilisationskrankheiten" würden überaus kostspielige Präparate auflerhalb der Arzneimittelzulassung und im Rahmen von Therapieversuchen eingesetzt (Anmerkung des BAH: diese sog. off the label-Verordnungen sollten durch die Neufassung der Arzneimittel-Richtlinien ausgeschlossen bzw. stark eingeschränkt werden). Auch die Zahl der Verordnungen sei um 5% wieder angestiegen, teilweise im Widerspruch zur Indikations-Negativliste nach § 34 Abs. 1 SGB V z. B. bei Erkältungskrankheiten. Die Arzneimittelpreise selbst seien einschließlich der Anhebung der Mehrwertsteuer zum 1. April 1998 um lediglich 0,8% gestiegen.

Setze sich das Verordnungsverhalten unverändert fort, seien überschreitungen der Arzneimittelbudgets in einer Größenordnung von 3,5 Mrd. DM und mehr unausweichlich. Daher fordern die Krankenkassen die Ärzte auf, zu einem "sachgerechten Einsatz von Arzneimitteln zurückzukehren und auf unnütze Verordnungen zu verzichten".

Anläßlich der Vorstellung des Referentenentwurfs zur GKV-Strukturreform 2000 hat Bundesgesundheitsministerin Fischer auf eben diese von den Spitzenverbänden veröffentlichten Zahlen hingewiesen und die Auffassung vertreten, daß dieser Ausgabenanstieg bei Arzneimitteln weder durch Grippewellen noch rational erklärbar ist. Sie werde daher auf eine Einhaltung des Budgets achten bzw. Budgetrückzahlungen einfordern. Ob angesichts der von der KBV bereits als "Budgetchaos" bezeichneten Situation - die KBV geht mit einem Aufbrauch des Budgets im Oktober in den neuen und Anfang Dezember in den alten Bundesländern aus - die KBV von ihrem gesetzlich fixierten Informationsrecht Gebrauch macht und ein KBV-Notprogramm erneut auflegt, bleibt abzuwarten.


EU: Zentrale Zulassungen

Der Europäische Ausschuß für Arzneispezialitäten (Committee for Proprietary Medicinal Products, CPMP) hat seine 49. Plenarsitzung in der Zeit vom 18. - 20. Mai 1999 in London abgehalten. Der CPMP hat im Rahmen des zentralen Verfahrens vier weitere positive Stellungnahmen abgegeben. Seit der letzten CPMP-Sitzung hat die Europäische Kommission fünf weitere zentrale Zulassungen erteilt. Insgesamt sind somit seit Januar 1995 104 zentrale Zulassungen für insgesamt 81 Substanzen erteilt worden. Abgesehen von den bereits erteilten 104 Zulassungen hat der CPMP in 116 Verfahren zu 90 Substanzen positive Stellungnahmen abgegeben. Außerdem ist ein weiterer Antrag, insgesamt sind also 34 Anträge im zentralen Verfahren zurückgezogen worden.

Wie bereits üblich, hat sich am Vortag des CPMP-Meetings die sog. Mutual Recognition Facilitation Group (MRFG) getroffen. Sie wurde von Behördenvertretern gegründet, um unterschiedliche Beurteilungen im gegenseitigen Anerkennungsverfahren auszugleichen und damit das dezentrale Zulassungsverfahren generell zu erleichtern. Im April 1999 sind vier weitere Anerkennungsverfahren abgeschlossen. Das sind somit seit Januar 1995 insgesamt 452 abgeschlossene Verfahren. Gegenwärtig sind noch 51 Anerkennungsanträge in der Bearbeitung. Außerdem sind 741 Verfahren zu Typ I-Variations und 570 Verfahren zu Typ II-Variations abgeschlossen. Insgesamt hat es erst für fünf Anerkennungsverfahren und für sechs Variations-Verfahren Schiedsverfahren gegeben.

Seit April 1999 sind 28 weitere Anerkennungsverfahren gestartet worden, eins davon betrifft ein rezeptfreies Arzneimittel, pflanzliche Arzneimittel sind erneut nicht betroffen. Bei den neuen Verfahren sind Großbritannien neunmal, Deutschland siebenmal, die Niederlande sechsmal und Schweden, Irland und Frankreich jeweils zweimal als Reference Member State gewählt worden. Großbritannien ist somit seit 1995 in 167 Fällen, die Niederlande in 66 Fällen, Schweden in 64 Fällen, Deutschland in 53 Fällen und Dänemark in 50 Fällen als Reference Member State gewählt worden.


Bekanntmachung zum Europäischen Arzneibuch

Im Bundesanzeiger Nr. 92 vom 20. Mai 1999 ist eine Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) zum Europäischen Arzneibuch, zweiter Nachtrag zur 3. Ausgabe des Europäischen Arzneibuchs - Nachtrag 1999 - Amtliche deutsche Ausgabe, vom 26. April 1999 erschienen. Hiermit werden die in die deutsche Sprache übersetzten Monographien und anderen Texte des zweiten Nachtrags zur 3. Ausgabe des Europäischen Arzneibuchs nach § 55 Abs. 7 AMG als "Europäisches Arzneibuch, Nachtrag 1999, Amtliche deutsche Ausgabe" bekannt gemacht. Es wird ausgeführt, daß dieser Nachtrag auch die unveränderten Monographien und Texte des ersten Nachtrags zur 3. Ausgabe des Europäischen Arzneibuchs (1998) enthält, letzterer in seiner amtlichen deutschen Ausgabe wird somit gegenstandslos.


Neuer Vorstand

Im Rahmen des 30. TCM-Kongresses in Rothenburg o.d.T. wurde von der Mitgliederversammlung der ARBEITSGEMEINSCHAFT FÜR KLASSISCHE AKUPUNKTUR UND TCM e.V. nach Rücktritt des bisherigen Vorstands und umfangreichen Satzungsänderungen ein nunmehr auf 8 Mitglieder erweiterter Vorstand gewählt:

1.Vorsitzender: Andreas Noll

2.Vorsitzende: Birgit Ziegler

Geschäftsführerin: Dorothea Laner

Der erweiterte Vorstand besteht aus:

Dirk Berein,Ausbildungszentren, Clemens Prost, Ärzteverbände

Stefan Penns, Pharmakologie

Gerd Ohmstede, TCM-Kongress

Wolfgang Waldmann, Arbeitskreise, Weiterbildung

Die Mitgliederversammlung sprach sich vor den Neuwahlen für die erneute intensive Diskussion über eine Qualitätssicherung in Chinesischer Medizin mit den Fach- und Berufsverbänden aus. Ziel ist die Anhebung des Niveaus der Ausbildung in klassischer Akupunktur und den anderen Bereichen der Chinesischen Medizin in Deutschland, wobei die ARBEITSGEMEINSCHAFT als interdisziplinärer Fachverband einen breiten Konsens innerhalb der die Chinesische Medizin praktizierenden Berufsgruppen anstrebt.

Die Problematik in der Diskussion um die Qualitätssicherung sieht die AG

Die ARBEITSGEMEINSCHAFT hat auch im Rahmen der Satzungsdiskussion ihren interdisziplinären Anspruch betont und versteht sich als Fachverband, unabhängig von den für die Ausübung der Heilkunde in Deutschland notwendigen Voraussetzungen. Ihre zentrale Aufgabe ist die Aus- und Weiterbildung für Heilpraktiker und Ärzte auf den Gebieten der chinesischen Heilkunde.

Durch das bundesweite Angebot an qualifizierten Fortbildungen der Arbeitsgemeinschaft wird der Wissensstand immer mehr den weltweiten und auch in China gültigen Maßstäben gerecht.

Die AG ist sich ihrer Tradition und Verpflichtung aus einer 45jährigen Tätigkeit und Fachkompetenz bewußt und wird aus dieser Einsicht heraus erneute Gespräche mit allen interessierten Berufs- und Fachverbänden führen. Die kollegiale Zusammenarbeit mit den Berufsverbänden der Heilpraktiker und Ärzte ist Voraussetzung für die Anerkennung und Verbreitung qualifizierter Ausbildungen in Deutschland.

Andreas Noll, Jahrgang 1955, Praxis in Berlin-Lichterfelde seit 1984. Akupunktur- ausbildung 1983/84 in Sri Lanka und Deutschland, Studium der Sinologie an der Freien Universität Berlin. Mehrere Studien- reisen nach China (Chengdu University of TCM, Shanghai University of TCM). Seit 1990 Grün- dung und Leitung der SHOU ZHONG-Schule für Traditionelle Chinesische Medizin e.V. (Berlin-Potsdam) - Ausbildungszentrum Ost für Klassische Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin e.V.- und 1990-1994 Leitung des Arbeitskreises Ost der Arbeitsgemeinschaft für klassische Akupunktur und TCM e.V. Schriftstellerische, journalistische und Verlagstätigkeit in Printmedien und Internet seit 1987.


Birgit Ziegler, Jahrgang 1944, 4 Kinder. Von 1983-1996 mehrere Studienauf- enthalte in Indien und Sri Lanka. 1992-1993 Akupunkturkurse bei den Freien Heilpraktikern mit Gerd Ohmstede. 1994-1996 Akupunkturausbildung im Ausbil- dungsszentrum Mitte in Offenbach. Pharma- kologie-Ausbildung bei Barbara Kirschbaum und Walter Geiger. Dozentin bei der Union Deutscher Heilpraktiker in Hessen und zeitweilig an der Hessischen Heilpraiktikerschule in Hochheim. Seit Anfang 1999 als Dozentin am Ausbildungszentrum Mitte in Offenbach. Seit 1992 in eigener Praxis mit Schwerpunkt Akupunktur tätig.


Dorothea Laner Jahrgang 1950, Abitur, Ausbildung in gehobener Justiz- laufbahn, dort tätig bis 1989. 1988 Beginn Hp-Ausbildung, Prüfung 1989. Ausbildung in Chinesischer Medizin in München, Abschluß 1991. Parxis seit 1990 mit Therapie ausschließlich Chionesische Medizin, 1989 Ausbildung Fußreflexzonenmassage und Lymphdrainage, 92-95 Pharmakologieausbildung bei B.Kirschbaum in München, 1995 Co-Dozentin mit Xie Ru und Dr. Riker im Zentrum für Naturheilkunde in München.


Angesichts der Tatsache, daß auf der einen Seite die 5 Ausbildungszentren der ARBEITSGEMEINSCHAFT ein hochqualifiziertes Studium der Chinesischen Medizin in Theorie und Praxis mit einem Umfang von mindestens 750 Stunden anbieten, auf der anderen Seite von vielen Therapeuten ausgesuchte Techniken wie die Akupunktur nach Kurzausbildungen unterschiedlicher Intensität am Patienten ausgeübt werden, muß - möglichst im Konsens - eine neues Modell der qualifizierten Vergleichbarkeit und Ergänzbarkeit verschiedener Ausbildungen geschaffen werden.

Dabei bleibt das oberste Ziel die Anhebung des fachlichen Niveaus der Ausbildung in Chinesischer Medizin.

Der neue und erweiterte Vorstand der ARBEITSGEMEINSCHAFT möchte sich auch auf diesem Wege bei allen Mitgliedern für das entgegengebrachte Vertrauen bedanken.

Wir wünschen uns eine möglichst breite Einmischung vieler Mitglieder in die für alle wichtige Diskussion über die Qualitätssicherung der Ausbildung in Chinesischer Medizin.

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Naturheilpraxis 07/99