Torsten Liem:
"Kraniosakrale Osteopathie"
2. Aufl. 1998, Hippokrates-Verlag,
Reihe lernen & fortbilden,
568 Seiten, DM 158,-



Das 568 Seiten umfassende und sehr detaillierte Werk ist in einen theoretischen Teil und einen Teil der praktischen Anwendung gegliedert. Zu jedem Kapitel gibt es Quellenangaben und meist zahlreiche weiterführende Literaturhinweise. Die Beschreibungen sind mit Fotos und Zeichnungen reichlich illustriert.

Das Buch widmet sich u. a. ausführlich der Anatomie. Es behandelt nicht nur detailliert jeden einzelnen Knochen von Kranium und Sakrum, sondern gibt auch Auskunft über Verbindungen zu anderen Strukturen (Gefäße, Nerven u. ä.). Lage und Funktion von Schädelnähten, Rückenmarks- und Hirnhäuten, Gefäßen und Ventrikelsystem werden in Unterkapiteln gesondert erörtert. Im Kapitel zur Entwicklungsgeschichte des Schädels scheint es dem Autor darauf anzukommen, mögliche Ursprünge späterer Dysfunktionen verständlich zu machen.

Dem Leser wird der kraniale Rhythmus ausführlich vorgestellt. Hervorgehoben werden die unterschiedlichen Bewegungsrichtungen der Knochen, da dieses Wissen aus Sicht des Autors für eine erfolgreiche Behandlung von großer Bedeutung ist.

Noch ehe sich der Autor den praktischen Ausführungen zuwendet, erhält der Leser Anregungen für Palpationsübungen und zum Fühlen der Suturen. Im praktischen Teil werden die unterschiedlichen Anwendungstechniken in der Kraniosakralen Therapie beschrieben und anhand von Beispielen (Dysfunktionen mit Korrekturmöglichkeiten) erklärt.

Gerade bei dem vom Autor gewählten Detaillierungsgrad besteht die Gefahr, daß der Leser von der Information überflutet wird. Um den daraus entstehenden Schwierigkeiten soweit wie möglich entgegenzuwirken, müßte das Gebot der Klarheit der Darstellung vom Autor in besonderem Maße beachtet werden. Hier hat er jedoch den zur Verfügung stehenden Spielraum nicht voll ausschöpfen können. Als eines von vielen möglichen Beispielen sei die Darstellung von S. 246 genannt. Hier ist weder der Vorspann zu den Spiegelstrichen den in den Spiegelstrichen behandelten einzelnen Sachverhalten logisch übergeordnet, noch sind diese Sachverhalte nach dem selben logischen Prinzip organisiert. Der Mangel an Klarheit zeigt sich häufig auch in der ungenauen Abstimmung zwischen einführender Beschreibung und nachfolgender detaillierter Darstellung (vgl.: S. 48 Schädelknochen oder S. 104/105 Processus).

Zum Teil bleiben die Abbildungen hinter den heutigen techn. Darstellungsmöglichkeiten zurück und lassen daher die (für einen Lernenden) notwendige Klarheit vermissen. Nicht immer stimmen Numerierung und Beschriftung überein. Auch sollte sich der Leser nicht darauf verlassen, daß er die im Inhaltsverzeichnis angegebene Überschrift auch im Text immer wiederfindet.

Trotz aller Kritik an der Art der Darstellung ist das Buch insgesamt empfehlenswert und die 158,-- DM sind gut angelegt. Schließlich gehört das Buch zu den umfangreichsten und detailliertesten zu diesem Thema. Zum einen eignet sich es, umfangreiches theoretisches Wissen zu erwerben (z. B. mit seiner detaillierten Abhandlung über die Entwicklung des Schädels), zum anderen kann es bei konkreten Fragestellungen während der Ausbildung und in der Praxis als Nachschlagewerk gute Dienste leisten. Dem Lernenden und dem Praktiker wird ein Werk an die Hand gegeben, das ihm ein tieferes Verständnis der kraniosakralen Therapie und eine kritische Reflexion seines Könnens ermöglicht.