Norbert Enders:
"Bewährte Anwendung der homöopathischen Arznei"
Karl F. Haug Verlag, Hüthig Fachverlage, Heidelberg
Band 1: Diagnosen und Beschwerden 601 Seiten, geb., DM 98,--
Band 2: Die Arznei und ihre Anwendung 300 Seiten, geb., DM 89,--



Für beide Bände hat sich der Autor offenbar das Ziel gesetzt, keine Materia medica in kühler Übersicht zu bringen oder ellenlang abgeheftete ermüdende Symptomenregister heranzuziehen, sondern hart an der Praxiswirklichkeit zu bleiben und die Niedrig- bzw. Mittelpotenzen-Homöopathie (im Regelfall bis D/C200) nach klinischen Gesichtspunkten und phänomenologischen Eigenarten zu sortieren. Damit ist der gewünschte Effekt eines sicheren Zugriffs auf das passende homöopathische Medikament aber noch nicht erreicht. Therapeutische Effizienz baut sich bekanntlich erst auf, wenn beim Nachschlagen (jedes Homöopathie-Buch dieses Kalibers entspricht einem Lexikon) der anzutreffende Inhalt die individuellen Abweichungen vom Normativen, vom Üblichen, tatsächlich auch bringt und der aufnehmende Homöopath, vom Vortrag der Beschwerden und ihren hervorquellenden Eigenarten hellhörig geworden, die Ohren spitzt. Erst dann nämlich bewahrheitet sich die im Buch vorgeschlagene arzneiliche Verwendung und es erfüllt sich der Zweck einer solchen Veröffentlichung wie der eines bereitgelegten Programms, das ( so heißt es in der Einführung ( aus wirklich bewährten Mosaiksteinchen aufgebaut ist und zum Wegweiser eines Therapiekonzepts wird. Einer ähnlichen Intention folgt im übrigen das im gleichen Verlag erschienene Werk Voisin's: "Materia medica des homöopathischen Praktikers", indessen dort bezogen auf die Hochpotenzen-Homöopathie. Frühere Veröffentlichungen des Autors über Kinder- und Frauenheilkunde kommen dem Werk zugute.

Wirft man nun einen Blick auf den systematischen Aufbau, dann zerfällt der erste Band wiederum in zwei Teile: Nach dem Kopf-zu-Fuß-Schema werden auf 280 Seiten zunächst die von der Diagnose untrennbaren Symptome (Beschwerden) aufgelistet und das/die gebräuchlichste/n Mittel, die Potenzierungsstufe und die Tagesdosis angegeben. Dieser Teil hinterläßt einen klinisch-gesichteten Eindruck von der Homöopathie. Der zweite Abschnitt widmet sich den Beschaffenheiten (Phänomenen) beim Kranken, seiner körperlichen Verfassung und Konstitution, seinem Verhalten, den Neigungen und Gewohnheiten, seinen gemüthaften Zuständen; kurz: es geht um das innere abfragbare und äußere sichtbare Erscheinungsbild der Persönlichkeit. Dort sind höhere Potenzierungsstufen ( > D/C200 oder M) und Nosoden dann regelmäßiger vertreten. Band 2 beschäftigt sich ausschließlich mit der Arzneimittellehre, bei Abies nigra angefangen und mit Zingiber endend, wie sie in ähnlicher Form in anderen Standardwerken des Verlags anzutreffen ist. Wie gut sich beide Bände, die Patientenseite und das Arzneiliche ergänzen, macht die folgende schnelle Probe aufs Exempel deutlich. Unter dem Mittel "Vinca" (Band 2) steht: Kopf ( Milchschorf der Säuglinge, Haare ( verfilzt wie Weichselzopf. In Band 1 ist unter der Rubrik "Haut" über den Milchschorf der Säuglinge angegeben: Vinca minor D6 - 3x tägl., (Effloreszenzen) feucht, übelriechend, heftig juckend; Haar verfilzt wie Weichselzopf! Zusätzlich werden die Mittel Calcium carb. D12 und Viola tricolor D4 erwähnt, die ebenfalls im Band 2 wieder auftauchen und die Milchschorfsymptome ausweisen. Es passt hier der Topf zum Deckel bzw. der Deckel zum Topf, so dass die beiden Bände aufeinander abgestimmt ein sinnvolles Ganzes ergeben.

So bleibt als Summe zu ziehen, dass der Autor auch in den Details die richtigen therapeutischen Antworten gefunden und vorgelegt hat und es sich lohnt, die darin enthaltende Erfahrung mit der eigenen zu vergleichen oder diese zu ergänzen. Dass hier der Geist seines berühmten und verehrten Lehrers Mathias Dorcsi weht und keinen geringen Einfluss nimmt, ist leicht verständlich und befruchtet das Werk zusätzlich.