Philip E. Greenman:
"Lehrbuch der osteopathischen Medizin"
K.-F. Haug Verlag/Hüthig Fachverlage Heidelberg,
600 Seiten, 1.146 Abbildungen(!), 9 Tabellen, Großformat, geb., DM 228,--



Nach der demonstrativen Wiederaufnahme der chiropraktischen Methode, in erweiterter Auflage, durch den gleichen Verlag mit dem "Handbuch der Chiropraktik" von Lomba/Peper im Jahr 1987, nun die noch umfassender dargestellte Osteopathie der berühmten anglo-amerikanischen Schule: aus dem vergangenen Jahrhundert von englischen "Knochensetzern" hervorgegangen, geprägt und jeweils überregional verbreitet und verbunden mit den Namen Hutton (England), Familie Sweet (Neuengland), Sir Barker (England), Still und Palmer (beide USA). Eine therapeutische Linie mit viel Gewicht also, nicht nur jenseits des Kanals und des Atlantiks, die man hier beim flüchtigen Aufblättern angedeutet bekommt und von einer beeindruckenden Zahl an Fotografien und Abbildungen bestätigt findet. Mit den dazugehörigen 600 Seiten nimmt man zugleich 2208 Gramm großzügig bedrucktes und verarbeitetes Papier ( am besten in beide Unterarme!)

Ein so umfangreich gestaltetes Werk bedarf natürlich einer konsequenten Gliederung. Die theoretische Konzeption manueller Therapie nimmt, im Gegensatz zur praktischen Bewegungsanalyse, relativ wenig Platz ein und verfolgt fünf Ziele: die Betrachtung und Untersuchung des gesamten Körpers (holistischer Aspekt), die neurologische Kontrolle, Beachtung der Atmung und des Kreislaufs, das Aufspüren energetischer Defizite und die Selbstregulationsmöglichkeiten. Die strukturierte (sensitive) Diagnostik schließt sich unmittelbar an, womit auch der lange bebilderte Teil beginnt, der erst wieder vor dem Register, ab Seite 587, enden wird. Einengende Faktoren der Behandlungsart, Kontraindikationen und die Diagnose abweichender Gelenkbewegungen zum Normalen: Hypermobilität und Barriere (Blockade) werden mit gehöriger Prägnanz genannt und dargestellt. Der lokalen Inspektion und Diagnose folgen die funktionellen Techniken, von denen es viele und mehr Muskel- bzw. Weichteile orientierte Fassungen gibt, die auf die Dysfunktion genauestes abgestimmt werden müssen. Die bildhafte dynamische Darstellungsweise und die "von-Schritt-zu-Schritt"( Erläuterungen unterstützen die Vorstellungskraft des Therapeuten über die angetroffene physisch-statischen Verhältnisse, d. h. über jene Blockierungen, die isometrisch oder vom Therapeutenimpuls zu lösen wären. Myofasziale Entspannungstechniken rechnen mit einer positiven Auswirkung durch den provozierten Reflex. Eine Einführung über kraniosakrale Techniken (leider nur anatomisches Bildmaterial) schließt den ersten Teil ab.

Techniken und Methoden bringt der Teil 2: Die zuvor einem Test zu unterziehenden Behandlungssektoren und Gelenke der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule, Beckenring, Thorax, Rippen sowie untere und obere Extremitäten sind sein Gegenstand. Der diagnostizierten Bewegungseinschränkung folgt die Mobilisation, vom Buch in gleicher Art wiedergegeben wie im Teil 1, jeder Abschnitt wird auch hier von einer Zusammenfassung allgemeineren Inhalts ergänzt, doch die Nähe zur Chiropraktik ist in diesem Abschnitt wohl am deutlichsten und erfreut jedes erfahrenere Therapeutenherz, das von den Begriffen und Methoden schon vorher angetan war.

Teil 3 schließlich wendet sich an die klinische Integration und widmet sich der Eigenbehandlung, sofern deren Voraussetzungen in der Beweglichkeit des Beckengürtels und mit Aktivierung der ischiokruralen Muskulatur erkannt und von sechs verschiedenen Gesichtspunkten aus näher bestimmt wurden. Darin wird der Autor in erstaunlicher Weise selbst zum aktiven Darsteller. Einzelne klinische Krankheitsbilder, Diagnoseverfahren (Röntgen, CT) und begleitender orthopädisch(therapeutischer Einsatz (Injektionen, Hilfsmaterialien etc.) bringt er ebenfalls zur Sprache und rundet damit das Gesamtwerk ab. Doch bis der Leser alles verstanden und verfolgt hat, dürfte geraume Zeit verfließen, so dass es nicht übertrieben erscheint, hier eine Investition für ein ganzes Therapeutenleben in den Händen zu halten, treu ergeben, wie außergewöhnliches Sitzmöbel oder robustes Schuhwerk, an die man sich im Laufe der Zeit erst gewöhnt, bis sich der Federkern angepasst oder die lederne Laufsohle weichgetreten hat.