180 westliche Kräuter in der chinesischen Medizin

Helmut Magel, Sibylle van Luijk, Wolfgang Prinz

Haug Verlag, Stuttgart 2012, 376 Seiten, Euro 69,99

ISBN: 978-3-8304-7353-4

In der Einleitung gibt es neben anderem einen Überblick über die Geschichte der Entwicklung von westlichen Kräutern in der chinesischen Medizin. Hier erfahren die Pioniere auf diesem noch sehr jungen Gebiet der chinesischen Medizin eine kleine Würdigung.

Interessant ist auch eine Abhandlung über die rechtlichen Grundlagen, die gerne in vielen Büchern vernachlässigt werden. Viele haben schon von Positivmonographie und Negativmonographie gehört, aber weiß jeder was das für die Behandlung bedeutet? Die Autoren erklären hier alle Begrifflichkeiten und stellen die aktuelle rechtliche Lage dar.

Hier erfährt man auch, dass es nicht nur eine Kommission E gibt, die Kräuter beurteilt, sondern auch weitere nationale, europaweite und weltweite Kommissionen, die nicht immer zum gleichen Ergebnis kommen. So erteilte die Arzneimittelkommission E der Berberitze eine Negativmonographie, die WHO dagegen gab ihr eine Positivmonographie. (Der Wissenschaftler ist eben auch nur ein Mensch)

Der Hauptteil des Buches ist nach den Behandlungsstrategien gegliedert, wie es sich für ein Buch über chinesische Pharmakologie gehört. Es beginnt, wie es traditionell üblich ist, mit den diaphoretischen Kräutern zur Ausleitung äußerer Erkrankungen, anschließend folgen andere ausleitende Methoden.

Weitere Kapitel sind dann unter anderem die Qi regulierenden Kräuter, die Blut regulierenden Kräuter, am Ende die Tonika für Qi, Blut, Yin u Yang und ganz zum Schluss die adstringierenden Kräuter. Jedes Kapitel beginnt mit der Beschreibung der Behandlungsstrategie. Hier stellen die Autoren dar, wie die Behandlung aussehen muss und welche Qualität von den entsprechenden Kräutern erwartet wird. Durch die Kenntnis der traditionellen Anwendung unserer einheimischen Kräuter fällt es dem Praktizierenden leichter, nachzuvollziehen, warum ein Kraut dann ausgerechnet in diesem Kapitel zu finden ist.

Jedem Kraut werden eine Temperatur, ein Geschmack und ein Meridianbezug zugeordnet. Bei den Geschmäckern haben sich die Autoren dafür entschieden, den tatsächlichen Geschmack der Pflanze zu nehmen und nicht den theoretischen, wie es in der chinesischen Pharmakologie gerne gemacht wird.
Anschließend folgen die Wirkungen der Kräuter in der chinesischen Terminologie. Die Wirkungen sind hierarchisch geordnet, die wichtigste Wirkung immer zuerst. Zu den einzelnen Wirkungen geben die Autoren wichtige Symptome bzw Erkrankungen als Beispiele an.
Damit machen die Autoren deutlich, wo sie den Schwerpunkt der Wirkung jedes Krautes sehen. Diese Vereinfachung der Pflanze hilft Praktizierenden der Kräuterheilkunde, mehr Sicherheit beim Rezeptieren zu erlangen. Das Kraut wird nicht auf nur eine oder zwei Wirkungen reduziert, wie es in der Arzneimittelkommission E gerne der Fall ist, aber auch nicht auf eine Vielzahl an Wirkungen aufgebläht, wie es in Büchern über westliche Phytotherapie oft der Fall ist. Gerade in solchen Fällen habe ich oft bei den Studenten gesehen, dass sie nicht mehr in der Lage waren, einen Schwerpunkt für die einzelne Pflanze zu erkennen.

Zu vielen Kräutern gibt es auch Fotos, was das Auge erfreut. (Mir persönlich macht die Arbeit mit „westlichen“ Kräutern auch mehr Freude, weil ich sie in der Natur sehe, sie begreifen – wirklich auch anfassen – kann und nicht nur rein theoretisch lerne. Wer weiß, wie Ophiopogon blüht, wie Angelika sinensis aussieht, wie Ginseng riecht?) Abgerundet wird jedes Kapitel mit einigen beispielhaften Rezepturen. Hier sei hervorgehoben, dass die Autoren auch den Aufbau ihres Rezeptes erklären und nicht einfach kommentarlos hinwerfen, wie es in einigen anderen Büchern über westliche Kräuter in der chinesischen Medizin gerne der Fall ist. Gerade dieser Schritt ist wichtig von der Theorie über die einzelne Pflanze zu ihrer Anwendung in einer Rezeptur.

Anmerkung: Ich beneide ja die Kollegen um ihre sehr kooperativen Patienten in Wuppertal bei der Zubereitung ihrer individuellen Rezeptur. Die Berliner sind da oft nicht so kooperativ, die wollen es im Schnitt einfacher. Klappt aber auch oft. (Der Patient ist halt auch nur ein Mensch)

Im Anhang gibt es ein ausführliches Quellenverzeichnis. Die drei Autoren scheinen alles, was auf dem Markt ist, über Phytotherapie gelesen zu haben.
Außerdem existiert ein ausführliches Inhaltsverzeichnis, wo wirklich alles zu finden ist. (Wer das regelmäßig überarbeitete Buch von Herrn Fintelmann kennt, weiß, dass Inhaltsverzeichnisse auch liebloser gestaltet werden können).

Mir hat dieses Buch viel Freude bereitet. Ob die Einordnung der Pflanzen in die jeweiligen Kapitel der Weisheit letzter Schluss ist, wird die Zeit zeigen. Leider gibt es bisher noch keine ganz einheitliche Einordnung der westlichen Kräuter im chinesischen Sinne, da mehrere „Pioniere“ relativ unabhängig nebeneinander begonnen haben, die Kräuter im Sinne der chinesischen Medizin zu klassifizieren. Dabei klappt der gegenseitige Austausch nicht immer gut. (Der Phytotherapeut ist halt auch nur ein Mensch)

Aber mittlerweile nähern sich die verschiedenen Ansichten immer mehr an. Ich hoffe, dass dieses Buch mit dazu beiträgt, einen allgemeingültigeren Standard über die westlichen Kräuter zu erstellen. Wenn man sich das Literaturverzeichnis ansieht, die Quellenangaben zu jedem Kraut, dann ist gut zu erkennen, wie viel Mühe sich die Autoren mit diesem Buch gegeben haben.

Es ist ein kurz gehaltenes, übersichtliches Buch über viele Kräuter. (Ob es wirklich genau 180 sind, habe ich nie nachgezählt) In diesem Buch geht es nicht um noch mehr zusätzliche Informationen zu den Kräutern, sondern es ist eine Reduktion auf das Wesentliche. Damit ist es eine immense Hilfe bei der Erstellung einer Rezeptur. Gerade BeginnerInnen werden das Buch schätzen, weil es wieder hilft, einen besseren Durchblick über die Menge an Kräutern zu erlangen.

Wolfgang Palm