Spagyrische Einzelmittel

Die 50 wichtigsten Pflanzen im Portrait

Hemm, Werner/Haußer, Tina

Foitzick Verlag, Augsburg, 2011, 143 S., geb., Format 14,4 x 23,3 Euro 29,95

ISBN 978-3-929338-57-7

Wer an diesem Ort versucht, Werner Hemm vorzustellen, trägt ganze Eulengeschwader nach Athen. Doch soviel sei gesagt, dass er nun die vier Jahrzehnte als Lehrer der Josef-Angerer-Schule für Naturheilweisen doch nicht mehr komplettiert und der Unterrichtstätigkeit, zumindest im Rahmen der Fachschule den Rücken gekehrt hat. Allerdings kann man sich den Vollblutdozenten ohne pädagogischen Wirkansatz kaum vorstellen, so dass man sicher weiterhin auf seine fundierten Fortbildungen zu den verschiedensten Themen, wie Humoralpathologie, Biochemie oder eben Spagyrik, gespannt sein darf. Mit Tina Haußer hat er sich eine Angerer-Schülerin und ehemalige Assistentin in seiner Naturheilpraxis als Co-Autorin ins Boot geholt. Haußer, mit der er zusammen schon ein Buch über Naturheilkunde und Akupunktur veröffentlicht hat, war von 1997 bis 2006 Lehrerin für TCM und Akupunktur an dieser Schule und ist im Fachverband als Fortbildungslehrerin für diese Fächer weiter tätig.

In der Einführung bieten die Autoren eine kurze, einprägsame und bestechend klare Zusammenfassung der qualitativen Wirkungsweisen der an der Humoralpathologie orientierten Spagyrik, wie sie sie sehen. Gilt doch auch hierzu die alte Mediziner- und Wissenschaftsweisheit quot capites tot sensus (soviele Ansichten wie Menschen). Dabei stellen sie klar, dass die Spagyrik mehr mit der traditionellen abendländischen Medizin und der Phytotherapie als der Homöopathie zu tun hat, liegt ihr doch auch das Prinzip des contraria contrariis curentur (das Gegenteilige soll durch das Gegenteilige behandelt werden) zugrunde. So wundert man sich nicht, wenn man es in der Regel (keine Regel ohne Ausnahme) mit Urtinkturen als Pflanzenessenzen zu tun hat, deren Indikationen ganz regulär an der humoralen Phytotherapie ausgerichtet sind und die auch nur sehr hartgesottene Homöopathen als Hahnemann-Mittel bezeichnen würden. Ausgenommen wird in der vorliegenden Reihe nur Helleborus niger, die Christrose, die als D4 vom althergebrachten Kardiakum zum Gallen- und Milzmittel mutiert. Allerdings erstaunt es bei der Erstlektüre der 50 gut bebilderten Portraits dann doch, wenn man über Urtinkturen hochgiftiger Essenzen, wie Aconitum, Digitalis oder Belladonna stolpert. Doch später erfährt man, dass bei spagyrischen Zubereitungen auch der Urtinktur der gesetzlich auf D4 beschränkten Homöopathika keinerlei toxische Qualitäten innewohnen, da bei der spagyrischen Aufbereitung des Ausgangsmaterials alles Gift eliminiert wird. Hier schließt sich dann auch schon ein interessantes Zwei-Phasen-Wirkprofil an, dergestalt, dass die als Primärmittel bezeichneten Urtinkturen der Giftpflanzen eine andere Wirksamkeit entfalten als in potenzierter Form. So wirkt beispielsweise Aconitum Ø, parallel zu einer Vergiftung mit der substanziellen Pflanze, anfangs, also in der Primärphase, erhitzend und erregend, während es als Sekundärmittel, in der D4, dämpfend auf Herz- und Nerventätigkeit ausgerichtet ist.

Was in den Augen des Rezensenten ein wenig in dem doch recht knapp getexteten Buch fehlt, wären noch ein paar Hintergrundinformationen zu den Pflanzen. Aber wie die Autoren aus eigener Erfahrung auch wissen sind viele Schüler andersrum dankbar, wenn es nicht so viel zu lesen gibt und sie sich nicht erst mühsam durch die Spreu zum Weizen vorarbeiten müssen, sie also die neudeutsch essentials genannten wesentlichen Fakten gedächtnisgerecht offeriert bekommen.

Bernd Hertling