Gemeine Gewächse

Das A bis Z der Pflanzen, die morden, verstümmeln, berauschen und uns anderweitig ärgern

Originaltitel: Wicked plants. The Weed that Killed Lincoln’s Mother and Other Atrocities

Amy Stewart

Berliner Taschenbuch Verlag, 2011, 11,95 Euro

ISBN-13: 978-3833307157

Als Phytotherapeut freute ich mich zunächst, im Bücherregal mal etwas Anderes als immer wieder dieselben „Sanft Heilen mit Kräutern“ etc. pp zu sehen und war sehr darauf gespannt, was man aus dem Blickwinkel des Kriminologen über alte Bekannte wie Schierling, Alraune und Tollkirsche würde Neues lernen können. Schließlich liest man doch nichts lieber, als ein spannend geschriebenes Sachbuch, das zugleich nützt und unterhält. Der Titel verspricht beides, doch das vorliegende Buch leistet weder das eine noch kann es das andere. Zunächst einmal lässt es sprachlich sehr zu wünschen übrig. Die Autorin entstammt, wie man unschwer am Namen erkennen kann, dem anglo- in ihrem Fall – amerikanischen Sprachraum, weshalb zum Teil auch die Übersetzung für den geringen Lesegenuss verantwortlich sein mag.

So wird dem unbedarften Leser zum Beispiel untergejubelt, dass Aristolochia, wohl in Anlehnung an das Osterei, ein Neutrum, also „das Osterluzei“, sei. Unklar bleibt für mich, wieso der geschützte Blutweiderich gefährlich sein soll, während einschlägig Verdächtige wie Weinrebe und Hopfen keine Erwähnung finden. Im Weiteren folgt man nur widerwillig den geistigen Winkelzügen der Autorin, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, ausschließlich Negatives im Pflanzenreich zu suchen, und dies, liegt es nicht deutlich vor Augen, auch an den Haaren herbeizuzerren.

Lesbarer wäre das Buch, würde weniger übertrieben und ließen sich Spuren von (Selbst-)Ironie aufspüren, doch Sprache, Wortwahl und Vorgehensweise halten sich an den Tenor eines Plädoyers einer von der absoluten Bösartigkeit einer Gruppe von Angeklagten überzeugten Staatsanwältin. Dabei will sie nicht nur die Haupttäter wie Tabak und Tollkirsche nicht ungeschoren davonkommen lassen, sondern fordert auch hohe Strafen für eher harmlose Mitläufer. So werden Kartoffel und Paprika in Sippenhaft genommen, da ihre Verwandtschaft mit Belladonna sie ihr bereits verdächtig macht. Was mich einerseits beunruhigte, sozusagen aber auch ein altes Vorurteil bestätigte, war die Tatsache, dass sich in den USA Jahr für Jahr offenbar eine größere Zahl von Menschen mit Pflanzen unwissentlich – natürlich auch wissentlich in suizidaler Absicht – vergiftet, was die „Bildungsferne“ des Durchschnittstransatlantikers wieder einmal unterstreicht (in beiderlei Hinsicht übrigens, denn sich mit Pflanzen umzubringen ist ein unsicheres Geschäft, sich unwissentlich zu vergiften „sollte nicht passieren“).

Demnach mag dieses Buch, das auf gemeingefährliche Mörder in der Botanik aufmerksam machen will, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten wohl nötig sein. Die Giftnotrufzentralen hierzulande wissen, sieht man von Rauchversuchen mit Engelstrompeten und derartigen pubertären Spielereien einmal ab, wenig von Vergiftungen mit Pflanzen zu berichten. Alles in allem ein Buch für Amerikaner, da rettet auch die vom Verlag freundlicherweise ans Ende gestellte Liste deutscher Publikationen zum Thema nichts mehr für den hiesigen Leser.

Außerdem wissen wir es längst: Der Mörder ist immer der Gärtner, keine Pflanze – und wär’s auch eine „gache Wurzn“.

Bernd Hertling