Ein homöopathisches Patientennetzwerk im Herzogtum Anhalt-Bernburg

J. Busche

190 Seiten, geb., 7 Abb., Haug-Verlag, Oswald-Hesse-Str. 50, 70469 Stuttgart, Euro 59,95

ISBN 978-3-8304-7285-8

Der vom Institut für Geschichte der Medizin mit Unterstützung der Robert Bosch Stiftung herausgegebene Quellen- und Studienband, der einen wichtigen Abschnitt aus dem Leben und Wirken des Begründers der Homöopathik dokumentiert, gibt einen guten Einblick in die Arbeitsweise Samuel Hahnemanns und seine Klientel.

Sie besteht im Jahr 1830 u.a. aus 17 Patienten bzw. Patientinnen adeligen Standes, darunter Prinzessin Luise von Anhalt Bernburg.
Wesentliches Material zieht der Verfasser aus den vom Institut bewahrten Krankenjournalen und Briefwechseln, sodass von drei Seiten: publizistische Tätigkeit, Verordnungswesen und Annahme der neuen Heilmethode, die Ausbreitung der Homöopathie über diesen „Stützpunkt“ beleuchtet werden kann.

Begonnen hat die Köthener Zeit 100 Jahre nach Johann Sebastian Bachs Zwischenstation als Hofkapellmeister des Fürsten Leopold („Brandenburger Konzerte“). Hahnemann erreichte das calvinistisch geprägte Anhalt-Köthen als den vorletzten seiner insgesamt 28 Wohnorte und quartierte sich und seine Familie zunächst (wie Bach) im „Großen Gasthof“ am Marktplatz ein. (Wie Bach verlor auch Hahnemann in Köthen seine erste Ehefrau und heiratete dort erneut.) Von dort aus behandelte Hahnemann in fast 14 Jahren die am „Patientennetzwerk“ beteiligten und im Buch biografisch näher erfasste Patientenschar aus der 20 Kilometer entfernten Oberverwaltungsstadt Bernburg erfolgreich. Zumal das – in den Augen Hahnemanns – für die Herstellung glaubwürdiger Arzneien so wichtige Dispensierrecht, das vor seiner Umsiedlung in Leipzig ihm entzogen worden war, aufgrund der liberaleren Landesherren (Anhalt war zeitweise in vier Teilfürstentümer aufgeteilt) ihm zuerkannt wurde. Dies und die Erfolge während der Diphtherieseuche im Jahre 1831 sicherten Hahnemanns Existenz und ermöglichten auch sein Spätwerk: die beiden ersten Abteilungen der „Chronischen Krankheiten“ – die Miasmenlehre. Es war, fernab vom Lärm und Neid der Großstädte, für die Sache der Homöopathie eine fruchtbare Zeit. Hahnemanns 50. Doktorjubiläum (1829) bedeutete die Geburtsstunde des „Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte“.

Die mit gebotener Skepsis und Sorgfalt verfasste Dissertationsschrift sorgt aber auch für Interesse bei all denjenigen, die mehr über die Meinung Hahnemanns über Humoralmedizin und den Wert traditioneller Diätetik erfahren wollen, zu denen er sich auch in kurzen Abhandlungen geäußert hatte. Aus der resümierenden Zusammenfassung durch den Autor ist zu entnehmen, dass es ein dogmatisches Behandlungskonzept nach den Paragrafen des Organon (1815) noch zu Lebzeiten Hahnemanns nicht gegeben hat. Den zusätzlichen Beweis lieferte der dem Köthener Homöopathiekreis
angehörende „Wunderdoktor“ Lutze.

So bekommt der Leser mehr als eine Ahnung davon vermittelt, warum nach der „Wende“ die Stadt Köthen, erstmals auf unserem Globus, die Homöopathie fest in das städtische Entwick-lungsprogramm eingebunden hat.

S.H.