Magie und Heilkraft der Kräuter

Das alte Wissen der bulgarischen Heiler neu entdeckt

Marina Marinova

Siberschnur Verlag, 212 Seiten, broschiert, Euro 9,90

ISBN 3-937464-10-7

Als Ayurveda-Therapeut und Kenner der antiken Säftelehre war für mich spannend, die bulgarische Zuordnung der drei Grundelemente Feuer, Wasser und Schleim zu den drei Geschmacksrichtungen (die Inder kennen sechs) Sauer, Bitter und Süß und ihre dissonanten Kombinationen neu kennenzulernen. Wenn alle drei Elemente süß und gelb sind, so ist der Organismus gesund. Hingegen können dissonantes Feuer, Wasser oder Schleim sauer oder bitter sein. Färbt sich aber nach dem Empfinden des Heilers eines der Elemente schwarz, so ist die Krankheit sehr ernst zu nehmen! Zum Beispiel spielen da auch psychische Gründe eine Rolle, meist ist die Leber, Galle oder Niere oder Blase betroffen. Zeigt sich etwa schwarzer Schleim, so liegt fast immer eine chronische Erkrankung vor, die schwer zu heilen ist, z.B. Depression, auch Krebs. Die Kräuter sollen nun jene belasteten Elemente, z.B. schwarzes Wasser, aus dem Organismus treiben und die süße Geschmacksrichtung sowie das Gelbe fördern. Im Prinzip lassen sich so die wichtigsten Körperorgane diesen drei Elementen und Geschmacksrichtungen zuordnen, ähnlich wie im Ayurveda den drei Doshas oder auch Gunas. Aus deren Kombinationen können dann die Krankheitsgruppen zugeordnet werden. Dies ermöglicht, dass auch kleinere Alltagsbeschwerden leicht einer Kombination aus Element/Geschmacksrichtung sowie deren Einfärbung sofort gedeutet und entsprechend behandelt werden können, ebenso wie auch im Ayurveda.

In der aus 34 Kräutern bestehenden Kräuter-Ikonografie bespricht die Autorin einige bulgarische Anwendungskriterien, z.B. S. 82: „Die Kastanie treibt das saure Feuer und das saure Wasser aus dem Blut aus“ und verschließt die Blutwege, „damit nichts nachkommt“. Das deckt sich mit den modernen Pharmakenntnissen über die Rosskastanie, die tatsächlich das Kapillarsystem dicht macht und Ödeme schneller zum Abfluss bringt.

Ganz anders bei der Pfingstrose, die nicht allein heilt, weil sie schnell die Geduld verliert, aber alte Kräuter „aufmuntert“ und sie fröhlich macht; zudem unterscheidet sie männliche und weibliche Kräuter. Damit wären wir mitten in der Pflanzenmagie, wozu natürlich auch die Berücksichtigung der Mondphasen gehört, die die Autorin zwischendurch immer wieder mal erwähnt. Oder wenn die Großmutter der Autorin magisch lehrt: „Die Mistel ist die Herrscherin über das Blut, sie zähmt es, besänftigt es, und zeigt ihm den richtigen Weg.“ Zudem treibt die Mistel den Schleim aus dem Blut, „der es böse und unbeherrscht macht“.

Mit diesem magischen Wissen kann ein Schamane mehr anfangen als wir ahnen, er kann damit sehr wohl zur Krankheit und den ins Chaos geratenen Elementen sowie mit der Heilpflanze direkt kommunizieren. Damit hat er gegenüber den akademisch gebildeten Naturheilkundigen einen unaufholbaren Vorsprung und einen direkten Zugang zur Erkrankung, das muss man einfach demütig anerkennen. Im zweiten Teil bespricht die Autorin einige wichtige Erkrankungen von Organgruppen, Atemwege, Herz-Kreislauf, Magen-Darm, Leber, Galle, Niere und Blase, Unterleib, Haut und Diverses, reichlich gespickt mit genügend Kräuterkombinationen und ihren Zubereitungsformen. Im Buch sind jede Menge Rezepte aufgeführt, deren Kräuter alle im Handel erhältlich sind.

W. B.