Die Kräuterkunde des Paracelsus - Therapie mit Heilpflanzen nach abendländischer Tradition

Olaf Rippe/Margret Madejsky

AT Verlag, CH-5401 Baden und München 2006; Leinen, Großformat;

ISBN 3-03800-313-1 und 978-3-03800-317-F

Eine wunderbare und riesengroße Überraschung ist dieses Buch! Ich habe die letzten Jahre zuweilen an der Heilkräuter-Bücherflut schon etwas resigniert, weil doch an manchem Werk zu spüren ist, dass es mehr dem augenblicklichen Trend (und dem Verlangen der Verlage) folgte, als dem Bedürfnis der Verfasser/innen, etwas wirklich Besonderes vorzustellen.

Nach dem vierbändigen Lebenswerk des großartigen Schweizer Bruno Vonarburg (“Homöotanik” in 4 Bd., Karl F. Haug Verlag, Stuttgart), dem genauen und den modernen Auffassungen der Monografien folgendem Buch der Kollegin Ursula Bühring (“Praxis-Lehrbuch der modernen Heilpflanzenkunde” Sonntag Verlag, Stuttgart) bin ich zuversichtlich, dass die Arzneipflanzentherapie nicht ausstirbt.

Wenn ich die botanisch exakten und von Erfahrung geprägten Arbeiten mit vorzüglichen Photos von Piet van den Toorn in den letzten Jahren in der “Naturheilpraxis” lese, die Arbeiten Peter Germanns berücksichtige und das kulturgeschichtlich interessante Büchlein von Bernd Hertling betrachte (“Wie aus dem Zankapfel die Einbeere wurde” Thieme Verlagsgruppe, Foitzick Verlag München), so darf es jeden mit Stolz und Genugtuung erfüllen, was in unseren Reihen an Wichtigem hervorgebracht wird. Dabei müssen auch spezielle Bücher, wie beispielsweise “Gesund durch Kräutertee” von Koll Peter A. Zizmann (Verlag Volksheilkunde Bonn) unbedingt erwähnt werden.

Frau Margret Madejsky und Olaf Rippe mögen es mir nachsehen, dass ich zunächst die Bücher anderer hervorhebe denn ihr eigenes. Aber es könnte sich ihr Werk nicht besser in eine Gesamtbetrachtung der Phytotherapie einfügen. Denn niemand hat bisher gewagt, sich an die “Kräuterkunde des Paracelsus” ausführlicher zu wagen als es in diesem ästhetischen und bilderreichen Buch geschieht. Es glaube niemand, dass es einem Paracelsus – übrigens auch auf keinem anderen Gebiet – leicht macht, sein Arzneipflanzenwissen aufzuspüren und darzustellen! Selbst wenn es von ihm den “Herbarius” gibt, wir zahlreiche Hinweise in den Vorträgen und Veröffentlichungen der Salzburger Paracelsus-Gesellschaft seit vielen Jahren ebenso sporadisch finden wie in dem begeisternden Buch von Dr. Pirmin Meier (Paracelsus – Arzt und Prophet, Amman Verlag, Zürich, 5. Auflage). In dieser großen Arbeit aus dem Umfeld der Münchner “Arbeitsgemeinschaft für Traditionelle Abendländische Medizin Natura Naturans” (ja, so etwas gibt es auch – neben den zahlreichen Versuchen, die TCM bei uns heimisch zu machen!).

Hier ist ein großer Wurf gelungen. Was besonders gefällt ist das Fehlen jeglicher Trockenheit schon dadurch, dass Autorin und Autor ihre vielen Exkursionsbilder und Erfahrungen eng mit dem paracelsischem Wissen und dem kulturellen Umfeld der Zeit zu verknüpfen versuchen. Signatur der Pflanzen, Metaphysik, Alchemie, Astrologie und Magie fließen ineinander; der Bogen zur Neuzeit und der Nutzung der Pflanzen im Jetzt ist auf großformatigen 460 Seiten mit unzähligen Bildern geglückt. Dieses Buch wird kaum jemand nur durchblättern, überall bleibt der Leser interessiert hängen.

Wenn ich das Werk so begeistert vorstelle, verschweige ich nicht, dass mein Weg mit der Phytotherapie eigentlich mehr der naturwissenschaftliche ist. Bereits in meiner “Phytotherapie” von 1970 – nach drei Auflagen im Marczell Verlag München seit langem vergriffen – habe ich an 377 Heilpflanzen auf das knappeste versucht, das heute Mögliche darzustellen. Die Arbeit – der von Ärzten und Professoren entscheidend dominierten E-Komm. beim Bundesgesundheitsamt in Berlin – ging im Grund denselben Weg, was ich ohne Selbstüberschätzung sagen möchte. Die erstellten Monografien sind aus dem naturwissenschaftlichen Wissen der Gegenwart entstanden, mit allen Vor- und Nachteilen.

An diesem Punkt sei auf die Schwierigkeit des Werks “Die Kräuterkunde des Paracelsus” hingewiesen. Es ist eine kundige, gewissenhafte und willige Apotheke nötig, um eine Reihe von Rezepten herzustellen. Die beiden Verfasser wissen dies und weisen am Schluss auf Bezugsquellen etc. hin. Dass die Rezepte auch nicht billig sein können, ist ebenso einleuchtend.

Zum Schluss eine Rezeptprobe: “Rotes Rezept” (S. 93)

Milder Immunstimulator, auch zur Immunstimulation; mögliche Indikationen: Halsentzündung, Virusangina, Neurodermitis.
Sulfurisches Rezept mit Mars-Charakter.
Jeweils 20 ml
Arum maculatum D4 (Aronstab)
Corallium rubrum D6 (Rote Koralle)
Echinacea D6 (Sonnenhut)
Ferrum haematinatum D6 (Hämatit)
Phytolacca D6 (Kermesbeere)

Über die Apotheke von Spagyra machen lassen; Dosis: 2-3 x täglich 30 Tropen (zur Rezeptherstellung siehe S. 429).
Und ganz zum Schluss muss auch des Verlags gedacht werden, der an Ausstattung, Fotos und Textgestaltung es an nichts mangeln ließ.

J. Karl