Wie aus dem Zankapfel die Einbeere wurde
Heilpflanzen im griechischen Mythos

Bernd Hertling

Foitzik Verlag Augsburg 2006, 160 S. 19 Abb., € (D) 24,95 CHF 42,40

ISBN 3-929338-62-9

Phytotherapie ist heute weitgehend verengt auf die rein stoffliche Betrachtung bestimmter Inhalts- und Wirkstoffe, welche aufgrund einer rationalen Diagnostik gezielt eingesetzt werden. In Zeiten des Verlustes der sinnlichen Wahrnehmung in der Diagnostik und der Armut an behandlerischer Phantasie in einer personotropen – zumindest aber konstitutionellen – Therapie kommt dieses Buch zum richtigen Zeitpunkt, ehe so alles Wissen um die Herkunft verloren geht. Der Autor studierte Altertumswissenschaften bevor er sich der Naturheilkunde zuwandte und das war gut so, wie sein Buch auf faszinierende Weise ausweist.

Aus seinem Wissenschatz kristallisierte sich die Frage heraus, was es denn mit den Namen unserer Pflanzen auf sich hat? Um diesen Hintergrund lebendig zu beleuchten wählt Hertling die Form von 12 Besuchen zu Göttern und Helden des klassischen Altertums. In aufregenden und amüsanten Geschichten aus der Mythologie entsteht beim Leser ein tieferes Verständnis für immerhin 64 Pflanzen, die aus seinen unterhaltsamen und lehrreichen Reisen „aufkeimen, blühen und heilen“ und uns einprägsam ihren Charakter verraten und somit unsere behandlerische Phantasie aufladen. Leser der „Naturheilpraxis“ konnten ja schon einige Kostproben der Götterbesuche Bernd Hertlings lesen.

Sehr lesenswert sind auch die einleitenden Kapitel über Grundgedanken des Existentiellen, das die Griechen von jeher als „Werden und Vergehen“ verstanden, als etwas in Bewegung Befindliches, wie uns ja auch heute noch im „lege artis“-Vorgehen der Naturheilkunde nicht der Fixpunkt Krankheit so sehr interessiert, sondern der kranke Mensch in der Begegnung mit einer krankmachenden Ursache in seiner Entwicklung – wichtiger Bestandteil naturheilkundlicher Diagnostik ist die Prognostik und niemand mit einem gesunden Menschenverstand wird je ernsthaft bestreiten, daß dieses für die kranke Person eine Frage von existenzieller Bedeutung ist, nämlich „noch werden“ oder schon vergehen.

In diesem wunderbaren Buch findet man in den theoretischen Erwägungen wie auch in den blutvollen mythologischen „Stories“ immer wieder Situationen, in denen man verharren möchte, um sie für sich noch einmal durchzugehen.

Wer mehr wissen will, muß das Buch lesen – für einen Naturheilkundler eigentlich eine Pflichtlektüre. Aber hier wird die Pflicht zu einem reizvollen Vergnügen.

K. F. Liebau