Margret Madejsky

"Alchemilla - Eine ganzheitliche Kräuterheilkunde für Frauen"

Goldmann Verlag München 2000, ca. 350 Seiten, zahlreiche, z.T. farbige Abbildungen, DM 24,90

Die Autorin, Margret Madejsky, ist seit 1992 in eigener Praxis in München als Heilpraktikerin tätig. So, wie sie ihren Patientinnen und Hörerinnen aus zahlreichen Vorträgen und Seminarveranstaltungen bekannt ist, legt sie nun mit ihrer ganz persönlichen Huldigung an den Frauenmantel (Alchemilla ssp.), dem "Allfrauenheil" der Kräuterheilkunde ihr erstes eigenes Werk vor: leidenschaftlich, kompetent und streitbar setzt sie sich für eine selbstbewußte Heilkunde für Frauen ein. Frei von "Betroffenheitspathos" bietet sie der Hormon-Antibiotika-Gynäkologie mit Herz und Verstand die Stirn. Und sie tut dies mit Bravour!

Ihre Mitstreiterin ist die "Alchemilla", eine der bedeutendsten Zauber- und Heilpflanzen der Alchimisten, in der Volksmedizin hochgeschätzt, von der naturwissenschaftlichen Schulmedizin als "Gerbstoffdroge" unter ferner liefen abgelegt.

Zwar trägt die Autorin gewissenhaft alle rationalen Daten zur Botanik und Chemie der Pflanze zusammen, doch macht sie keinen Hehl aus ihrer Überzeugung, daß es einen ergiebigeren Weg zur Erkenntnis deren Heilkraft gibt. In bester Tradition bedeutender Naturheilkundiger setzt sie auf Erfahrung und Liebe zur Natur, statt auf chemische Formeln. Folgerichtig wird die "Alchemilla" nicht als lateinische Vokabel, sondern als Mitglied der Familie der venusischen Rosengewächse vorgestellt und ihre Heilkraft aus der Signaturenlehre des Paracelsus abgeleitet. Und dies geschieht nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern in lebendigen Bildern, herzerfrischend und nachvollziehbar, wie es in vergleichbarer aktueller Literatur kaum zu finden sein dürfte.

Dabei stellt sie das bekannte Guttationsphänomen der Pflanze in den Mittelpunkt: aus den feinen Haardrüsen an den Rändern der fächerförmigen Blätter gebildete Wassertropfen sammeln sich am Blattboden zu einer großen Perle. Der Mutterschoß hält die ruhende und wachsende Frucht. Dieser Zauber erfaßt den heutigen Leser genauso wie den Alchimisten des 16. Jahrhunderts, der darin eine Art natürlicher Destillation erkannte.

Daß die Ernte des Liebfrauenmantels nicht achtlos, sondern unter Berücksichtigung von Jahreszeit, Sonne und Mond zu geschehen hat - auch davon wird berichtet. Die große Stärke des Buches ist der stete Bezug zur Praxis, der vor allem im zweiten Teil zum Tragen kommt. Hier wird auch der naturheilkundliche Therapeut fündig, der sich anspruchsvolle Alternativen für seinen Rezeptblock wünscht. Es berichtet nämlich jemand mit umfassender Präparatekenntnis und Mut zu eigenen, individuellen Rezepturen. Anleitungen für die Bereitung von Bädern, Frauenduschen, Salben, Zäpfchen, Kräutermet und Wein machen ebenso neugierig wie das alte Rezept des "Sinnauzuckers", bei dem frisches Kraut mit Zucker verrieben und der Sonne ausgesetzt wird. M. Madejsky nimmt dabei zu jeder Zeit die Position der beratenden Freundin ein und vermeidet es - wie wohltuend - von der hohen Kanzel herab zu predigen. Der Indikationsbogen für die Alchemilla ist weit gespannt. Oft werden ihr andere Heilmittel zur Seite gestellt. Und auf diese Weise läßt sich nahezu alles ansprechen, was Frau selbst für sich tun kann: etwa bei Blasenbeschwerden, Brustleiden oder Problemen bei der Mondblutung, zur Regeneration nach Antibiotika und Pille, aber auch bei unerfüllten Kinderwunsch, Schwangerschaft, Geburt und Klimakterium.

"Alchemilla" ist kein Buch für Hochglanzladies zwischen Powerjob und Fitnessstudio. Zum Thema "Gewichtsprobleme" etwa spricht die Autorin sogar vielen Männern aus der Seele, wenn sie meint, daß Frauen erst ab Größe 40 richtig interessant werden. Probatum est!

Dies ist ein Buch für Frauen, die ihrer Arbeit nachgehen, Träume, Beziehungsstreß und Kinder haben und älter werden. Frauen, die es satt haben, stets am Leitbild der spindeldürren Badeanzugschönheiten gemessen zu werden. Dies ist auch ein Buch für Frauen, die aus falscher Scham und mangelnder Aufklärung der Willkür des medizinischen Versorgungsapparates zum Opfer gefallen sind. Und nicht zuletzt ist es ein Buch für Männer, die vielleicht zum ersten Mal Gelegenheit finden, sich über die oftmals belächelten "Frauenprobleme" in aller Ruhe ein Bild zu machen. "Alchemilla" - die Perle unter den Frauenbüchern.

Rainer Maria Wieshammer